162 IV. Der Wertgedanke. Wertbegehruagen viel deutlicher beim unpersönlichen Wert als eigent- lich wertfremd entgegentreten als bei den persönlichen Werten. So scheint also prinzipiell ebenso wenig ausgeschlossen, den unpersön- lichen Wert mit Hilfe des Wertgefühles, als den persönlichen Wert mit Hilfe des durch dieses Gefühl präsentierten Gegenstandes zu charak- terisieren. Dennoch könnte es zunächst den Anschein haben, als ob es ebenso wenig gelingen möchte, dem persönlichen Werte mit den Erfassungsmitteln des unpersönlichen, als dem unpersönlichen Werte mit den Erfassungs- mitteln des persönlichen Wertes gerecht zu werden, weil Relatives nicht durch absolute und Absolutes nicht durch relative Bestimmungen getroffen werden könne. Und von diesen beiden Teilen der Begründung hat es mit dem ersten ohne Zweifel seine Richtigkeit: was seinem Wesen nach relativ, das heißt durch eine Relation bestimmt ist, kann in adäquater Weise nicht auch ohne Zuhilfenahme einer Relation bestimmt , werden. Dagegen kann eine absolute Bestimmung sehr wohl durch eine relative ersetzt werden, wenn man sich einer Relation bedienen kann, die dem zu bestimmenden Relationsgliede ein zweites gegenüberzustellen gestattet, das weder durch sein Sosein noch durch sein Sein (zunächst seine Existenz) dem ersten sozusagen eine Beschränkung auferlegt. Wie das gemeint ist, läßt sich durch ein Beispiel aus gleichsam neutralem Gebiet leicht beleuchten. Bezeichne ich ein Ding als blau, so ist das zunächst eine durchaus relationsfreie, in diesem Sinne mithin absolute Bestimmung. Sage ich dagegen von dem Dinge, es sei so beschaffen, daß ihm die Eigenschaft, blau zu sein, mit Recht zugesprochen werden kann, so habe ich damit, wie jedermann sofort spürt, sicher nichts wesentlich Neues gesagt, vielmehr die erste einfachere Bestimmung durch ein komplizierteres Äquivalent ersetzt, das praktisch mutmaßlich gar keinen Vorteil mit sich bringt, aber zweifellos relativen Charakter hat. Es liegt ja das Moment des Prädizierens, respektive Erfassens darin, das sicher ein erfassendes Subjekt voraussetzt. Dennoch liegt die Äquivalenz vor, weil nicht auf ein so oder anders beschaffenes, auch nicht auf ein existierendes Subjekt Bezug genommen, vielmehr für die Prädikation, respektive das ihr zugrunde liegende Urteil nur die Rechtmäßigkeit in Anspruch genommen wird. In der Tat zeigt sich nun der unpersönliche Wert einer Bestimmung zugänglich, in der das, was an ihm dem persönlichen Werte wesens- verwandt ist, in helles Licht tritt. Als den persönlichen Wert eines Objektes konnten wir die emotionale Bedeutung dieses Objektes für ein Subjekt bestimmen. Natürlich kann man sich nun, statt an dieses oder jenes Subjekt auch an das „Subjekt überhaupt" halten und von der Bedeutung für dieses reden. Nur ist damit so lange noch nicht viel gewonnen, als die Gewähr dafür fehlt, daß das, worin die Natur aller Subjekte übereinstimmt, auch schon eine ausreichende Grundlage für Werterlebnisse darbietet. Diese Gewähr würde aber geleistet sein, wenn die Analogie zum eben zuvor verwendeten Empfindungsbeispiel gestattete, auch hier das Moment der Berechtigung einzuführen. Denn ob das § 7. Der unpersönliche Wert. 163 Verhalten eines Subjektes, um was für ein Verhalten immer es sich handeln mag, berechtigt ist oder nicht, hängt in keiner Hinsicht mehr von der Natur des betreffenden Subjektes ab. Daß nun aber das Moment der Berechtigung dem Werterlebnisse kemeswegs verschlossen ist, das habe ich bereits in anderem Zusammen- hange darzutun versucht. Zwar ist Berechtigung im strengen Sinne sofern man dabei nur innere BerechtigungS in Betracht zieht, durchaus auf Evidenz gegründet und insofern auf das Urteil beschränkt; es läßt ßich davon aber ein erweiterter Sinn ableiten, vermöge dessen man schon bei Vorstellungen und nicht minder bei präsentierenden emotio- nalen Erlebnissen von wahr und falsch reden mag. Ist also näher der angeeignete Gegenstand eines Werterlebnisses, das 0' zum Eiffen- gegenstand hat, so ist zunächst, daß 0' dem zukomme, entweder wahr oder falsch. Ist es wahr und daher das Urteil, ist 0'« im Rechte so ist auch derjenige im Rechte, der an das^Objekt das Werterlebnis mit dem Eigengegen stände 0' knüpft und dieses Wert- erlebnis selbst darf für rechtmäßig gelten, wenn man dieses Wort in dem erwähnten weiteren Sinne versteht. Die sich so ergebende emo- tionale Bedeutung kann nun ebenfalls als rechtmäßige Bedeutung be- zeichnet werden : sie Ist immer noch eine relative Bestimmung am kommt diesem aber ganz unabhängig von allem Sosein und Sein von bubjekten zu, kann daher insofern auch bereits unpersönlich heißen ist nun andererseits das Werterlebnis mit dem Gegenstande 0' ein Wertgefuhl, so ist der Eigengegenstand 0', den dieses präsentiert, der unpersönliche Wert und wird dieser dem Gegenstand mit Recht zuge- sprochen, so handelt es sich dabei genau um jenes Objektiv ist 0'" auf dessen Wahrheit wir eben die Rechtmäßigkeit des Werterlebnisses zuruckoehen sahen. Nun ist die Bestimmung „unpersönlicher Wert des O« und „rechtmäßige Bedeutung des 0" sicher nicht dasselbe: sind beide Bestimmungen auch uni)ersönlich, so ist doch die erste zweifellos absolut, die zweite immer noch relativ, weil implicite immer noch auf ein Erlebnis bezogen. Aber an der Äquivalenz der beiden Bestimmungen ist doch in keiner Weise zu zweifeln, während doch auch die Verwandt- schaft der Bestimmung „rechtmäßige Bedeutung«^ und „Bedeutung für ein Subjekt '^ (oder natürlich auch beliebig viele oder alle Subjekte) deutlich zutage tritt. Um dieser Verwandtschaft willen hat es seinen guten Smn, im Gedanken der „rechtmäßigen Bedeutung« einen sozu- sagen zweiten Begriff des unpersönlichen Wertes festzuhalten, der dem absoluten Begriffe dieses Wertes als relativer an die Seite tritt und nun zugleich gestattet, dem Wertgedanken in seiner Unbestimmtheit, die den persönlichen wie den unpersönlichen Wert in sich faßt im Gedanken der „Bedeutung« (natürlich der emotional zu charak- terisierenden Bedeutung) einen ebenso unbestimmten, gleichwohl aus- reichend präzisierten Wertbegriff unterzulegen. '•* 4. ^ „Über emotionale Präsentation", § 12. 2 Vgl. „Über Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit", S. 416. 11^