»•!• ü 140 IV. Der Wertgedanke. §5. Die Partialwerte nnd der Totalwert. 141 kommen wird, daß die Werthaltung sich von den Teilen auf das Ganze, von den Eigenschaften auf den Träger dieser Eigenschaften überträgt. Nur ist, soweit wir von den Gesetzen solcher Übertragung haben Kenntnis nehmen können,^ nicht abzusehen, wie es bei solcher Übertragung zu einer Subtraktion kommen kann, während es durchaus natürlich erscheinen wird, wenn den gleichsam neu hinzutretenden Eigenschaften auch additiv hinzutretende Werthaltungen (und ihnen dann etwa auch angemessene Werte) entsprechen. Wichtiger für den gegenwärtigen Zusammenhang ist indessen, daß die fragliche Erweiterung die, etwa für das Beispiel von der Gesund- heit, charakteristische Eigentümlichkeit zu verwischen droht, die darin besteht, daß es sich da nicht um das Zusammentreffen mehrerer Eigen- schaften, sondern um zwei Werthaltungen handelt, die sich genau auf dasselbe Objekt beziehen, aber dadurch, daß ihnen die entgegengesetzten Objektive zugrunde liegen, in natürliche Gegensätzlichkeit zu einander treten. Es stellt sich hier eben der Seinswerthaltung eines Objektes die Nichtseinswerthaltung desselben Objektes gegenüber, die naturgemäß das entgegengesetzte Vorzeichen aufweist wie jene. Versucht man nun auch hier von den Werthaltungen zum Werte vorzudringen, so hat man natürlich wieder zunächst den Eindruck, daß es sich bei Berücksichtigung der zweiten Werthaltung nur um ein Hinzunehmen zur ersten, also bloß um eine Addition und nicht um eine Subtraktion handeln könne. Nur bringt die Gegensätzlichkeit des einen Vorzeichens es mit sich, daß das additive Verfahren das Gegenteil des Natürlichen zu ergeben scheint. Der negative Wert der mangelnden Gesundheit, mehr kurz als genau ausgedrückt, müßte, wenn zum positiven Wert der vorhandenen Gesund- heit addiert, eine Herabsetzung des Gesamtwertes ergeben, indes die Berücksichtigung des Nichtseins, wie wir gesehen haben, nur auf die Steigerung des resultierenden Wertes führen kann. Hier scheint also Ehrenfels' Differenzformel doch im Rechte zu sein. Inzwischen hat ein Dissens darüber, ob Summe oder Differenz, wenig genug auf sich^, wenn die Differenzansicht den Subtrahenden sogleich mit entgegengesetztem Vorzeichen einführt. Dem Versuche Ehrenfels' freilich, den Differenzgedanken seinem „Gesetze der relativen Glücksförderung" zustatten kommen zu lassen,^ steht alles entgegen, was ich an anderem Orte* gegen dieses Gesetz beizubringen hatte. Dagegen bedeutet die ausdrückliche Einbeziehung des Vorzeichens ohne Zweifel einen Fortschritt, der zunächst dem Erfassen der Abhängigkeit des Wertes von der Werthaltung, dann immerhin auch der Allgemein- heit der Aufstellung zugute kommt. Natürlich ist es hier insbesondere das erste dieser beiden Momente, das ins Gewicht fällt. Näher lehrt das Beispiel von der 1 Vgl. oben S. 83 f., 107 ff. 2 Gegen W. Strich, „Das Wertproblem in der Philosophie der Gegen- wart«, S. 38. ^ B 8 Vgl. Archiv f. systemat. Philos., Bd. 11, 1896, S. 110 ff. * „Über Annahmen" 2, § 48 ff. Gesundheit und seinesgleichen vor allem, daß der Wert nicht etwa nur von der Werthaltung des Seins, so auch nicht nur von der Werthaltung des Nichtsems, sondern sowohl von der Werthaltung des Seins als von der des Nichtseins abhängt. Ferner ist im Grunde ganz selbstverständlich daß das Wertvorzeichen im allgemeinen durch das Werthaltungsvorzeichen bestimmt ist. Im Verlaufe der gegenwärtigen Darlegungen ist sicherlich nirgends ein Zweifel daran aufgetaucht, daß im Falle positiver Wert- ha tung positiver Wert, im Falle negativer Werthaltung oder Unwert- haltung negativer Wert oder Unwert zu gewärtigen sei. Jetzt erkennt man, daß diese Selbstverständlichkeit doch nur die Seinswerthaltung betreffen kann und die Sachlage bei der Nichtseins werthaltung eini entgegengesetzte ist. Nur wenn das Nichtsein mir leid ist, dann bedeutet diese Unwerthaltung etwas wie eine positive Zutat zum positiven Werte. Ebenso wird ein Unwert, den wir uns zunächst auf die Unwerthaltun« eines Seins gegründet denken können, vermöge der (positiven) Wert- haltung des Nichtseins eine Steigerung hinsichtlich seines Betrages erfahren. Dabei stehen die hier in Betracht kommenden Vorzeichen in ganz charakteristischer Relation zu einander. Solcher Vorzeichen gibt es da ja dreierlei : die des Wertes, der Werthaltungen und der zu diesen Werthaltungen gehörigen Voraussetzungsurteile. Nun berührt es ieden der darauf aufmerksam wird, sofort als völlig natürlich, zugleich aber doch als höchst beachtenswert, daß die dreierlei Vorzeichen und ins- besondere Wert-, respektive Werthaltungsvorzeichen einerseits, Urteils- (oder auch Objektiv-)Vorzeichen andererseits miteinander gleichsam ebenso kooperieren wie die arithmetischen Vorzeichen in einer Rechnung indem Unwerthaltung des Nichtseins Wert, Werthaltung des Nichtseins Unwert mit sich führt. Dieses Vorzeichen gesetz bewährt sich nun auch, wo die größere A Igememheit der Ehrenfels'schen Betrachtungsweise zur Geltung kommt. Wie erwähnt, weist der Umstand, daß es sich da eventuell um Objekte handelt, an die sich Seins- und Nichtseinswerthaltungen mit überein- stimmendem Vorzeichen knüpfen, auf komplexe Tatbestände hin. Die Komplexität hindert die Vorzeichen in keiner Weise, sich im Sinne der obigen Gesetzmäßigkeit zu betätigen. Aber die sozusagen originäre Relation zwischen Werthaltung und Wert tritt dabei in kein helleres Licht, muß sich vielmehr am besten an den einfachsten Fällen durch- schauen lassen, denjenigen nämlich, wo das Werthaltungs-, respektive Wertobjekt nur als ein Einfaches in Betracht kommt, das dann immer noch zu zweierlei Werthaltungen mit naturgemäß entgegengesetztem Vorzeichen Gelegenheit gibt. & Zusammenfassend dürfen wir also behaupten: der Wert geht auch im einfachsten Falle jederzeit sowohl auf Seins-, wie auf Nichtseins- gefuhle zurück und jedes dieser Gefühle steuert zur Größe des resultierenden Wertes prinzipiell eine additive Komponente bei, die diese resultierende Größe nur in zweierlei Sinn beeinflussen kann, je nach dem Vorzeichen, das sich im Sinne der obigen Gesetzmäßigkeit ergibt Jedem als eines sich darstellenden Wertobjekte gegenüber kommt es