130 IV. Der Wertgedanke. 1' u r-f- Fragen wir nun weiter, zum zweiten Punkte übergehend, inwie- fern die empirisch aufzeigbaren Wertgedanken thetische Determinationen in jeder dieser vier Hinsichten tatsächlich aufweisen, so ist vor allem in Bezug auf das Subjekt zu wiederholen, daß der Gedanke des persön- lichen Wertes zunächst in keinem Falle ohne Subjekt sein Auslangen finden zu können scheint, so daß, wenn einem Objekte Wert nachgesagt wird, der damit behauptete Tatbestand nicht wohl der Existenz des Subjektes entrateu mag. Ein Wert, soweit er Wert für ein bestimmtes Subjekt ist, pflegt zu verschwinden, sobald dieses Subjekt zu existieren aufhört, was natürlich nicht ausschließt, daß das nämliche Objekt für ein anderes, existierendes Subjekt immer noch Wertobjekt bleibt, solange eben wieder dieses Subjekt vorhanden ist. Natürlich genügt aber, um ein Werterlebnis zu ermöglichen, ein beliebiges Subjekt nicht, es muß vielmehr in seinen Eigenschaften der Besonderheit des Werterlebuisses, namentlich der des Objektes, aus- reichend augepaßt sein. Näher kann man dabei die emotionale und die intellektuelle Eignung des Subjektes auseinanderhalten, in letzterer Hin- sicht überdies noch relativ bleibende Dispositionen von relativ vorüber- gehenden, übrigens aber ebenfalls noch wesentlich dispositionellen Be- stimmungen unterscheiden. Es darf im allgemeinen vermutet werden, daß, wo man einem Objekte Wert für ein Subjekt zuschreibt, damit nicht nur eben ein Subjekt, sondern auch näher ein in den angegebenen Hinsichten geeignetes Subjekt in Anspruch genommen ist. Die Aktualisieiungsbedin- gung „Subjekt" spezifiziert sich so gewissermaßen in mehrere (nach obigem etwa in drei) Sonderbedingungen, deren sozusagen verbindliche Bedeutung für den Wertgedankeri hier im einzelnen kurz erwogen sei. Daß zunächst eine angemessene emotionale Eignung des Subjektes subintelligiert wird, gilt unter normalen Umständen für selbstverständlich und wird leicht bemerklich, wo diese Voraussetzung als unerfüllt ange- sehen werden muß. Wer sich nicht für Mathematik oder Geschichte interessiert, für den hat ein mathematisches oder historisches Werk, auch wenn er es versteht, keinen Wert. Nicht anders steht es mit einem Kunstwerk bei demjenigen, der zur Kunst kein Verhältnis hat; und wer nicht gern Schach spielt oder raucht, für den hat Schachbrett oder Rauchzeug ebenfalls keinen Wert. Dennoch hat, was so weitaus die Regel ist, Ausnahmen: auf das, was das Kind in der Schule lernt, pflegt es meist recht wenig Wert zu legen und manifestiert so seine zunächst emotionale Unfähigkeit zu den betreffenden Werterlebnissen; dennoch hält man sich im ganzen für berechtigt, dem Schulunterricht Wert beizumessen, vielleicht nicht nur, aber doch jedenfalls auch, ja in erster Linie für das Schulkind als Subjekt. Auch bei emotionalen Anomalien wird Analoges zu konstatieren sein. Hinsichtlich der intellektuellen Veranlagung, das Wort ^intellek- tuell* so weit verstanden, als man in der Psychologie irgendwie von , Geistesleben* im Gegensatz zu , Gemütsleben* reden mag,^ ist die * Vgl. „Über emotionale Präsentation", S. 3, Anm. !l §3. Die Aktualitätsbedingungen. Seins- and Nichtsemswerte. 131 Sachlage im wesentlichen ohne Zweifel die nämliche. Bei den verifizieren- den Ausfallstatsachen ist es sogar nicht immer leicht, den Anteil intellek- tueller von dem emotionaler Dispositionen reinlich zu sondern. Aber wenn Musik für den Tauben, Gemälde oder Photographie für den Blinden keinen Wert hat, so fehlt jeder Anlaß, das noch einem anderen Moment als eben dem Sinnesdefekt zuzuschreiben. Dagegen werden für das jugendliche oder pathologische Subjekt Werte genug namhaft zu machen sem, bei denen die intellektuelle Unfähigkeit mindestens mit der emotio- nalen konkurriert, ohne darum dem, was vorliegt, den Charakter -des von jedem Urteilsfähigen anerkannten Werttatbestandes nehmen zu können. Der vergleichsweise dauernden intellektuellen Veranlagung steht als ebenfalls dispositionelles, aber doch vergleichsweise variables Moment der Wissenszustand des Subjektes, seine Orientiertheit hinsichtlich des anfälligen Objektes der Werterlebnisse zur Seite. Und wirklich spielt auch diese Orientiertheit nicht selten die Rolle des unerläßlichen Wert- erfordernisses. Dem entspricht es, daß etwa eine Auszeichnung, die einem Ehrgeizigen zuteil geworden ist, für diesen keinen Wert hat, so lange er nichts davon weiß. Auch wenn mein Freund zur Zeit, da ich ihn fern glaube, mit mir in derselben Stadt weilt, wird dies nicht leicht für mich Wert haben. Schwieriger mögen die Dinge schon hin- sichtlich eines Schatzes stehen, der auf einem Grunde vergraben liegt, dessen Besitzer davon keine Kenntnis hat. Und wenn der A einen Autor herausgibt, sein Freund B aber eine für die Kenntnis des Autors grund- legende Handschrift entdeckt, so wird B wohl sagen dürfen, die Hand- schrift sei für A wertvoll, auch schon ehe er den A über seinen Fund unterrichtet hat Ganz zweifellos wertvoll aber ist eine Ventilations- vomchtung für denjenigen, der, ohne von ihr zu wissen, vermöge ihrer Funktion, während er schläft, vor einer Vergiftung durch ausströmendes Leuchtgas bewahrt wird. Es würde zu weit führen, sollte an dieser Stelle versucht werden, den Gründen für solche Verschiedenbehandlung nachzugehen. Daß aber hier in Bezug auf das, was in den Wertgedanken thetisch einbezogen wird, sich weitaus erheblichere Schwankungen geltend machen, als bei den beiden vorher betrachteten Tatsachengruppen, scheint aus den beigebrachten Beispielen unmittelbar zu erhellen. Nun greift aber dieses Schwanken von der besonderen Beschaffen- heit des Subjektes auch noch geradezu auf dessen Dasein über, sofern dieses unbeschadet des oben konstatierten ersten Anscheines doch nicht für alle Werttatbestände schlechthin unerläßlich ist. Daß neu aufgelegte Briefmarken für Markensammler besonderen Wert haben, darf man mit Recht behaupten, auch wenn man damit durchaus nicht sasen will, daJJ eine solche Neuausgabe tatsächlich erfolgt sei, oder daß tatsächlich Markensammler vorhanden seien, denen sie zustatten kommt. Ähnliches wird oft genug auch sonst zu konstatieren sein, wo der betreffende Wert nicht auf ein bestimmtes Individuum bezogen ist, insofern also, etwas ungenau ausgedrückt, ein universeUes Subjekt hat. Wer, wie das heute doch die Regel ist, ethische Werte persönlich genug versteht, um sich der Frage nach einem ethischen Wertsubjekt nicht für überhoben zu 9* SWi ^i i i • J