102 III. Weiteres zur Wertpsycholo^e. Wert aufweist, vorher schon ausreichend oft wertgehalten worden ist, und es scheint nicht abzusehen, wie solches ohne Übertragung des Werthaltens vom P her zu verstehen sein sollte. Es kommt hinzu, daß, worauf sogleich unten als eine Tatsache von besonderer Wichtigkeit noch wird zurückgekommen werden müssen, das 0, wenn das P begehrt wird, auch seinerseits den Gegenstand eines Begehrens auszumachen geeignet ist, Begehrungsobjekte aber, wie zu berühren war,^ jederzeit zugleich Werthaltungsobjekte abgeben. Darf so die Tatsache der Werthaltungsübertragung für ausreichend gesichert gelten, so haben wir uns nun noch auch der Gegenfrage zuzuwenden, ob es zuletzt überhaupt andere als übertragene Wert- haltuugen gebe, oder nicht vielmehr auch die anscheinend unüber- tragenen Fälle sich bei näherer Betrachtung als Übertragungen heraus- stellen. Eine solche Eventualität ganz grundsätzlich abzulehnen, dazu bietet die erwähnte Analogie zur Überzeugungsvermittlung, ja in gewisser Hinsicht die direkte Subsumtion unter die Betrachtungsweise der letzteren sich bereitwillig als geeignetes Mittel dar. Halte ich nämlich das wert um des P willen, das ich gleichsam schon vorher werthalte, so findet die Werthaltuug des statt im „Hinblick" auf die W^erthaltung des P, ebenso wie die Konklusion geurteilt wird im „Hinblick" auf die geur- teilten Prämissen^ und das Werthalten des vollzieht sich oder kann sich mindestens vollziehen mit dem Bewußtsein, daß es durch das Werthalten des P ebenfalls in gewisser Weise impliziert ist. Wird nun aber auch das P in ähnlicher Weise übertragen wertgehalten um eines Q willen, dieses um eines R willen und so fort ins Unendliche, so hat man es ohne Zweifel mit einer Reihe von jener fehlerhaften Unendlichkeit zu tun, die es auch schon verbietet^, mittelbares Erkennen gelten zu lassen, das nicht früher oder später auf unmittelbares gegründet wäre. In derselben Weise kann es dann auch kein über- tragenes Werthalten geben, das nioht früher oder später auf ein unüber- tragenes zurückginge. Immerhin fehlt es hier nicht an einer Schwierigkeit. Muß denn, so darf man fragen, das, worauf beim Werthalten des „ hingeblickt " wird, eine Werthaltung, respektive ein Wert sein, kann es nicht viel- mehr auch auf eine Lust ankommen, die kein Wertgefühl ist? Ich halte im Winter den Ofen wert, weil seine Wärme mir angenehm ist, also mit Rücksicht auf ein sinnliches Gefühl, das als solches natürlich kein Wertgefühl ausmacht. Man hat es da sonach mit einer Wert- haltung zu tun, die zwar nicht von einer Werthaltung, wohl aber von einem andersartigen Lustgefühl herrührt. Von diesen Gefühlen, so könnte man glauben, vollzieht sich nun die Übertragung bei jenen Wertge- fühlen, die ihrerseits nicht mehr auf andere Wertgefühle zurückgehen: 1 Vgl. oben S. 42. 2 Vgl. hierüber meine Ausführungen in „Über Annahmen", 2. Auflage, S. 176. 3 Vgl. „Zum Erweise des allgemeinen Kausalgesetzes", Sitzungsberichte der k. Akademie der Wissenschaften in Wien, philos. histor. Kl., Bd. CLXXXIX, 1918, S. 96. § 4. Übertragung und Vermittlung bei Werlhaltungen. 103 so sind dann alle Wertgefühle übertragen, ohne daß damit auf eine unendliche Reihe rekurriert würde. Dem ist indes nur der Gedanke der Werthaltungsübertragung in ausreichender Klarheit entgegenzuhalten. Ihm gemäß heißt eine Werthaltung nicht insofern übertragen, als sie in irgend einer W^eise auf ein Gefühl zurückweist, sondern sofern das Wertverhalten zum Objekte auf das Wertverhalten zu einem anderen Objekte P zurückgeht. Dieses Erfordernis ist natürlich nicht erfüllt, wenn das zweite Gefühl überhaupt gar kein Wertgefühl ist. Das Dilemma : entweder eine fehlerhaft unendliche Reihe oder unübertragene Werthaltungen wird also wohl unvermeidlich sein. So bleibt die apriorische Erwägung zugunsten unübertragener Werthaltungen in Kraft. Es kommen dann die vielen deutlichen Belege dafür hinzu, daß, rein empirisch besehen, unser Werthalten so häufig über gewisse letzte Gegenstände tatsächlich nicht hinausgeht, solche also, denen gegenüber der Gedanke einer Werthaltungsübertragung nicht etwa erst theoretisch auszuschließen ist, sondern umgekehrt höchstens erst unter irgend welchen theoretischen Gesichtspunkten in den Kreis der Erwägungen einzubeziehen wäre. Demgemäß sind nun auch Argumente, die die Übertragenheit aller Werthaltungen plausibel zu machen versuchen könnten, von nur scheinbarer Stringenz. So insbesondere die Berufung auf das Prinzip, daß alles seinen Grund haben müsse, womit eigentlich nur auf die eben abgelehnte Betrachtungsweise zurückgegriffen ist, so daß man sich auch hier schon durch die Analogie mit dem Erkennen, respektive Urteilen orientieren kann. Gesetzt nämlich zunächst, daß nichts Er- kenntnis heißen darf, w^as nicht seinen Grund hat, so verschlägt dies noch gar nichts gegenüber der Eventualität falscher Urteile: ebenso könnte für berechtigtes Werthalten ganz wohl etwas verbindlich sein, was das Werthalten ganz im allgemeinen, von dem jetzt die Rede ist, nicht trifft. Es kommt nun aber hinzu, daß der sogenannte Satz vom Grunde sowohl dem zu erfassenden Objektive als dem Erfassen nach einer ganz bestimmten Interpretation bedarf, um überhaupt als all- gemeines Prinzip aufrecht erhalten werden zu können. Das Objektiv, daß rot nicht grün ist, hat keinerlei Objektiv mehr zugrunde liegen und nur, wenn man den Begriff des Grundes ausreichend erweitert, um im Bedarfsfalle auch Objekte einbeziehen zu können, kann man unserem Objektive die Objekte rot und grün mit einiger Natürlichkeit^ als Grund oder Gründe zuschreiben. Und ebenso ist das, worauf man „hinblicken* muß, um der Erkenntnis, daß rot von grün verschieden sei, mit Evidenz teilhaftig zu werden, keinerlei Objektiv, sondern es sind eben wieder nur die Objekte rot und grün, was auch für den Begriff speziell des a Erkenntnisgrundes" eine angemessene Erweiterung verlangt. Allgemein also : muß das „Warum", nach dem man fragt, ein Objektiv, respektive 1 Mein Versuch, es anders zu halten (vgl. „Über die Stellung der Gegen- standstheorie im System der Wissenschaften", Leipzig 1907, S. 54, auch Zeit- schrift für Philos. u. philos. Kritik, Bd. 129 f. [1906 f.J), wird eben wegen seiner Künstlichkeit aufgegeben werden müssen.