92 III. Weiteres zur Wertpsychologie. fortläßt, sonach nur die Objektsymbole übrig behält, an denen links unten das Vorzeichen der maßgebenden Werthaltung, rechts oben wie früher das des Werthaltungsobjektivs angebracht bleibt. Man erhält so : +0+ _0+ +0- -0- Ein Objekt nun, dessen Sein mich freut, desgleichen eines, dessen Nicht- sein mir leid ist, nennt man ein Gut; ebenso eines ein Übel, dessen Sein mir leid oder auch eines, dessen Nichtsein mir lieb ist. Populärer ist die Bestimmung: ein Gut ist, was mich freut, ein Übel, was mir leid ist. Aber man sieht leicht, daß das unzureichend ist, da mir ja auch ein Gut leid, ein Übel lieb sein kann — , im Nichtseinsfalle nämlich. Es geht eben nicht an, dort, wo es auf Werthaltungen ankommt, deren Objektiv, respektive das Vorzeichen dieses Objektivs außer acht zu lassen. Indem man dasselbe einbezieht, hat man übrigens auch noch das Mittel in der Hand, die Doppelcharakteristik, die eben sowohl beim Gute wie beim Übel nötig schien, in eine einfache Bestimmung umzuwandeln. Ein Gut, kann man sagen, liegt vor, wo das Vorzeichen der Werthaltung mit dem ihres Objektivs übereinstimmt, mag es übrigens positiv oder negativ sein. Dagegen muß von einem Übel geredet werden, sofern das Vorzeichen der Werthaltung dem ihres Objektivs entgegengesetzt ist, einerlei, welches der beiden Vorzeichen das positive, welches das negative sein mag. Für das nämliche Objekt sind natürlich prinzipiell jederzeit beide Ausgestaltungen dieser Bestimmung anwendbar: ist ein Gut gegeben, so ist das Grund zur Freude, ist es nicht gegeben, so ist das Grund zum Leid, und analog beim Übel. Empirisch gilt das selbst- verständlich nur mit der Einschränkung, daß hinsichtlich des Zusammen- bestehens der betreffenden Gegengefühle keine Störung von der im vorigen Paragraphen berührten Art zu konstatieren ist. Ein Gut mani- festiert sich dann eben als ein Objekt, an dessen Sein man Freude, an dessen Nichtsein man Leid hat, als Übel dagegen etwas, dessen Sein mit Leid, dessen Nichtsein mit Freude verbunden ist. Eine weitere ganz merkwürdige Komplikation kommt nun dadurch zustande, daß Objekte, die in der angegebenen Weise durch die Vor- zeichen der Werthaltung und ihres Objektivs zu Gut oder Übel bestimmt sind, nun ihrerseits wieder das Werthaltungsobjektiv bestimmen, falls dieses tatsächlich ist. Dies ist der Fall beim Gedanken an Glück und Unglück, sofern man nicht etwa vorzieht, diese Wörter für jene Geheim- nisse aufzusparen, in die unter besonders günstigen Umständen einmal einen Blick zu tun, für heute und vielleicht für alle Zeiten höchstens dem Dichter vorbehalten bleiben mag. Aber wenn es zum Nutzen der Theorie ausgeschlagen haben sollte, daß wir oben die Termini „Freude" und ,Leid* von den mehr oder minder affektartigen Erlebnissen, für die man sie zu brauchen pflegt, auf deren möglichst elementare Gefühls- grundlagen übertragen haben, so wird es kaum minder statthaft sein, solche charakteristische Grundtatbestände auch bei „Glück" und »Unglück* herauszuarbeiten. [^^] %^ •^-% § 3. Gut und Übel, Glück und Unglück. 93 Solchen Vorbehalt also im folgenden jederzeit vorausgesetzt, läßt sich vor allem behaupten, daß Glück wie Unglück niemals durch ein Objekt ausgemacht werden, sondern jederzeit durch ein Objektiv. Ein gezogenes Los, ein Heilmittel für eine sonst tödlich verlaufende Er- krankung, einen erfolgreichen Feldzug, einen ehrenvollen Frieden wird niemand, wenn er einigermaßen genau redet, ein Glück nennen, wohl aber dies, daß das Los gezogen wurde, daß es das Medikament gibt, daß der Feldzug zum Siege geführt hat, daß der Friede geschlossen wurde. Es steht damit nicht anders wie etwa mit den Attributen „mög- lich" „notwendig"^ und anderen, immerhin auch was die Gefahr anlangt, namentlich Substantive, die Objektive bedeuten, auf Objekte zu inter- pretieren. Am eindeutigsten ist das, von dem Glück oder Unglück in natürlicher Weise prädiziert werden kann, jederzeit durch einen Satz, zunächst wohl durch einen „daß "-Satz auszusprechen, worin die Objekiv- natur des Subjektes einer solchen Prädikation unverkennbar zu Tage tritt. Ist einmal soviel festgestellt, dann kann über das, was ein Objektiv zu einem Glücks- oder Unglücksfall determiniert, kaum mehr Unsicher- heit aufkommen. Hat man es mit einem Objekte zu tun, dessen Dasein, oder mit einem, dessen Nichtdasein erfreut, dann redet man, falls jenes Objekt da ist, respektive dieses nicht da ist, von Glück. Dagegen ist es ein Unglück, wenn das existiert, respektive nicht existiert, dessen Existenz, respektive Nichtexistenz mir leid ist. Will man, was ja durch die ganze Betrachtungsweise so sehr nahegelegt ist, hier die oben präzisierten Begriffe von Gut und Übel anwenden, so findet man sich auf Bestim- mungen geführt wie diese : Glück besteht darin, daß ein Gut existiert, respektive ein Übel nicht existiert, Unglück wird durch Existenz eines Übels, respektive Nichtexistenz eines Gutes ausgemacht. Aber diese zweiten Formulierungen begreifen augenscheinlich mehr in sich als die ersten, da die Vorzeichengleichheit, durch die das Gut, und die Vor- zeichenverschiedenheit, durch die das Übel definierbar ist, je zwei Aus- gestaltungen zuläßt, von denen die obige erste Charakteristik von Glück und Unglück jedesmal nur eine heraushebt. Nun ist, die zweite heran- zuziehen, auch seinerseits keineswegs sinnwidrig. Wenn etwas nicht da ist, dessen Dasein, oder wenn etwas da ist, dessen Nichtdasein mich freuen würde, so wird man darin leicht ein Unglück sehen, ebenso ein Glück, wenn das nicht da ist, dessen Dasein, oder wenn etwas da ist, dessen Nichtdasein mir leid wäre. Aber ausnahmslos wird dies doch durchaus nicht zutreffen: der verwöhnte Reiche, von dem schon wiederholt die Rede war, verspürt den Luxus, der ihn umgibt, nicht als Glück, obwohl er unglücklich genug wäre, wenn er seiner entraten sollte. Man sieht leicht, daß, was hier eventuell störend in den Weg tritt, eben das ist, was uns oben als Störung in der Zuordnung der Gegengefühle begegnet ist. Wo solche Störungen fehlen, da fügen sich auch die sozusagen zweiten Fälle von Gut und Übel ohne weiteres der Subsumtion unter die Begriffe Glück und Unglück. Immerhin könnte Vgl. „Über Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit" [Register],