90 in. Weiteres zur Wertpsychologie. von der Beschaffenheit des Objektes und seiner Umgebung auch noch von der dauernden oder auch nur vorübergehenden Disposition des Subjektes ab, die so als ein durchaus wesentlicher Faktor bei allen Wertgefühlen in Betracht kommt. Diese Disposition hat man im Auge, wenn man im vorwissen- schaftlichen Sprachgebrauche von einem Objekte sagt, daß das Subjekt an dessen Sein oder Nichtsein mehr oder weniger interessiert sei. Damit ist freilich ein Wort von nicht ganz unbedenklicher Vieldeutigkeit^ in Anspruch genommen, in einer Bedeutung obendrein, die vielleicht gar nicht die dem Ausdrucke am häufigsten beigelegte ist. Aber näher besehen beschränkt sich jene Vieldeutigkeit, von vernachlässigungswerten Ausnahmen abgesehen, doch darauf, daß „Interesse" die Disposition zu Urteilsgefühlen ganz im allgemeinen genannt wird, mag es sich dabei um Wissens- oder um Wertgefühle handeln. Und wenn man die Wendung „sich interessieren'' vielleicht wirklich häufiger bei Wissens- gefühlen gebraucht und das Adjektiv „interessant" wohl ausschließlich bei ihnen, 2 so hindert dies, soviel ich sehe, doch durchaus nicht, das Wort „Interesse" auch mit Bezug auf Wertgefühle anzuwenden, wenn man im Bedarfsfalle über Mittel verfügt, diese Wortanwenduug kenntlich zu machen. An solchen Mitteln fehlt es aber keineswegs. Betrifft das Adjektivum „interessant" ausschließlich die Wissens-, so das Adjektivum „interessiert" fast ebenso ausschließlich die Wertgefühle. Nicht minder bestimmt unterscheidet die Sprache, wenn auch nicht gerade in aus- nahmsloser Konsequenz, das „Interesse für" vom „Interesse an" etwas und meint dort das Wissens-, hier das Wertgefühl. Noch deutlicher aber ist es, die erstgenannte Disposition als „theoretisches Interesse" der zweitgenaunten als dem „praktischen Interesse" entgegenzustellen. Man kann also wohl ohne alle Undeutlichkeit sagen: wie das Subjekt auf das Sein, wie es auf das Nichtsein des in Betracht kommenden Objektes reagiert, das hängt von dem praktischen Interesse ab, das das Subjekt an dem betreffenden Objekte nimmt. Näher erweist sich die so einheitlich benannte Disposition eigentlich als ein Komplex aus zwei Dispositionen, deren eine das Sein, deren andere das Nichtsein des Objektes betrifft und von deren einigermaßen unabhängiger Varia- bilität wir uns im vorangehenden überzeugt haben. Man könnte hier von positivem und negativem Interesse reden, wenn das dem Umstand gegenüber weniger undeutlich wäre, daß es da nicht nur in betreff des Voraussetzungsurteils, sondern auch in betreff des Gefühls den Gegen- satz der Vorzeichen gibt. Deutlicher wäre es also immerhin, etwa das , Seinsinteresse" dem „Nichtseinsinteresse" gegenüberzustellen. Den Gegengefühlen gegenüber auf die Dispositionen zurückzu- 1 Vgl. E. M artin ak, „Zur BegrifEsbestimmnng der »intellektnellen Gefühlec und des »Interessesc", Süddeutsche Blätter für höhere Unterrichtsanstalten, IV, Jahrgang 1896, bes. S. 163 ff. Vgl. auch 0. Tumlirz, „Die Disposition des theore- tischen Interesses und ihre aktuellen Korrelate" in „Beiträge zur Pädagogik und Dispositionstheorie", herausgegeben von A. Meinong, Prag, Wien, Leipzig 1919. , 2 Vgl. E. Martinak, a. a. 0., S. 165 f. MmM!mmm>''m-MiixiBH^*m!a § 3. Gut und Übel, Glück und Unglück. 91 greifen, dazu hat man den naheliegenden Anlaß, daß ein Seins- und ein Nichtseinsgefühl unbeschadet wie weit immer gehender Zusammen- gehörigkeit doch niemals zugleich aktuell sein können, so gewiß das Subjekt außerstande ist, gleichzeitig an das Sein und Nichtsein desselben Objektes zu glauben. Eher könnte auf ein wenigstens annähernd gleich- zeitiges Auftreten der den Ernstgegengefühlen zugeordneten Phantasie- gefühle gedacht werden; aber in dieser Hinsicht haben die Phantasie- gefühle vor Gefühlskombinationen, wie wir sie oben als im Ernstfalle unvereinbar konstatieren konnten, schwerlich etwas voraus. In betreff des Terminus „praktisches Interesse" aber wird zu beachten sein, daß seine Bezogenheit sowohl auf Seins- wie auf Nicht- seinsgefühle noch keineswegs seine ganze Komplexität ausmacht. Es wäre ganz unnatürlich, bei „Interesse" nicht auch an das Begehren, näher an Begehruugsdisposition zu denken, die sich, wie zu erwähnen war,^ von der Disposition zu sonst gleichviel wie nahe verwandten Gefühlen doch immer noch prinzipiell unterscheidet. Wer aber ceteris paribus stärker begehrt, dem wird man doch zweifellos ein stärkeres Interesse an dem betreffenden Gegenstande zusprechen. Auch hier wird das Verhalten zum Sein von dem zum Nichtsein zu unterscheiden, sonach von Seins- und Nichtseinsinteresse auch hinsichtlich des Begehrens zu reden sein. Auch noch die Dispositionen zu Phantasiegefühlen, respek- tive Phantasiebegehrungen in den sonach ohnehin nicht wenig komplexen Begriff des praktischen Interesses einzubeziehen, danach wird schwerlich ein Bedürfnis bestehen, da die Phantasieerlebnisse auch hier, wie sonst, ^ zu- nächst nur als Surrogate für die Ernsterlebnisse in Betracht kommen werden. § 3. Gut und Übel, Glück und Unglück. Es sei gestattet, hier noch einigermaßen anhangsweise die Be- deutung der oben^ entworfenen kleinen Tafel der Werthaltungen durch den Hinweis auf ein paar bereits dem verwissenschaftlichen Denken angehörige Begriffe zu beleuchten, die sich in ganz unverkennbarer Weise auf diese Tafel gründen. Es geschieht dies dadurch, daß die Werthaltungen, die in ihrer durch die beiden Vorzeichen ausgemachten Bestimmtheit natürlich nicht an ganz beliebigen Objekten angreifen können, diejenigen darunter, wo sie dies tatsächlich können, auch gegen- über anderen Objekten in eigenartiger Weise charakterisieren. Ein Objekt, das mich, sofern es ist, durch sein Sein erfreut, unterscheidet sich in dieser Hinsicht wesentlich von einem Objekte, das, sofern es ist, mir vermöge seines Seins leid ist. Ebenso ist es ein anderes, ob ein Objekt mir vermöge seines allfälligen Nichtseins lieb oder leid ist. Übersichtlich lassen sich die vier sich ergebenden Fälle in derselben Weise zusammen- stellen, wie im vorhergehenden^ die Gegengefühle. Auch die nämlichen Symbole sind anwendbar, sofern man das Zeichen Wh und die Klammem 1 Vgl. oben S. 42. ^ 2 Vgl. „Über Annahmen" 2 [Register]. 8 Vgl. S. 821 4 Vgl oben S. 83.