82 in. Weiteres zur Wertpsychologie. § 2. Die Gegengefühle. 83 und ihm zustimmend, konzediert A. Boltunow^ zwar keine Variabilität in der Intensität, wohl aber eine in der ,, Quantität". Daß überdies ver- schiedenen Wertgefühlen gegenüber Begehrungen verschiedene, also bald größere, bald geringere Motivationskraft [^^J zukomme, wird von keiner Seite bestritten, daraus aber dann freilich eventuell die Konsequenz gezogen, daß, was man zunächst für verschiedene Wertgefühlsstärken zu nehmen geneigt sein mag, eben die verschiedene Motivationskraft sei. Aber es scheint doch um vieles natürlicher, die Verschiedenheit der Motivationskraft eben als Folge der Stärkeverschiedeuheit zu verstehen, als diese Verschiedenheit umgekehrt auf eine Relation zurückzuführen, zu der man keine ihr zu Grunde liegenden Glieder aufzuweisen gewillt ist. Überdies spricht wohl auch die direkte Empirie hier eine ausreichend deutliche Sprache. Wer alles an Habe und Gut verloren hat, reagiert anders, und zwar doch wohl charakteristisch stärker, als wem eine mäßige Geldsumme abhanden gekommen ist. W^er sich fruchtbarer Berufs- tätigkeit erfreut unter angenehmen Lebensumständen, kann doch ohne Zweifel auf jene Tätigkeit mehr Wert legen, das heißt ihr gegenüber ein stärkeres Wertgefühl auslösen als hinsichtlich der sonstigen Unge- störtheit seines Lebens. Man wird also den Wertgefühlen prinzipiell wohl die quantitative Variabilität zuerkennen dürfen, die sonst keiner der Hauptklassen unter den Gefühlen fehlt. Wie sich die so einigermaßen aufgewiesenen qualitativen und quantitativen Bestimmungen auf Akt und Inhalt der Wertgefühle ver- teilen, ist durch das Dargelegte natürlich noch ganz unausgemacht. Durch den Gegensatz von Ernst- und Phantasiegefühl, der, wie wir wissen, auch den Wertgefühlen nicht fehlt, ist natürlich auch hier der Akt, durch die Verschiedenheiten der Wertarten, soweit die Voraus- setzungen dabei nicht in Frage kommen, der Inhalt in Mitleidenschaft gezogen. Auch die Verschiedenheiten der Wertgrößen scheinen als quan- titative Bestimmungen zunächst den Inhalten zugeordnet, was einen Parallelismus der Aktstärken immerhin nicht ausschlösse. In all diesen Dingen aber besteht noch größte Unsicherheit, die erst eingehende Einzel- untersuchung zu beseitigen hoffen darf. § 2. Die Gegengcfühle, Wir wenden uns der näheren Betrachtung einiger gesetzmäßigen Beziehungen zu, die für dasselbe Subjekt zwischen Werthaltungen mit gemeinsamem Objekt (respektive Quasiobjekt) unter der Voraussetzung bestehen, daß die Werthaltungen die typischen Ausgestaltungen erfahren haben, die durch die Polarität einerseits dieser Erlebnisse selbst, anderer- seits durch die Polarität ihrer psychologischen Voraussetzungen ermöglicht sind. Als Gefühle nämlich haben die Werthaltungen, wie bereits zu erwähnen war, allemal entweder Lust- oder Unlustcharakter, wofür namentlich bei Urteilsgefühlen (im Gegensatz zu bloßen Annalimegefühlen) ganz wohl 1 „Über den Strukturzusamnienhang zwischen dem ästhetischen Wertgefühl und seinen intellektuellen Voraussetzungen", Berliner Dissertation, 1909, S. 28,. vgl. ebenda S. 23, Anm. 6. Wli (0-) auch Freude und Leid zu sagen sein wird, falls man nur vermeidet, den Gedanken an Komplexe, insbesondere Affekte, in die möglichst elementar gemeinte Betrachtung hineinzutragen. Andererseits hat das Sein, auf das die Werthaltungen bezogen sind, je nach dem für die Wertgefühle (im Gegensatz zu den Wissensgefühlen) so wesentlichen affirmativen oder negativen Charakter des es erfassenden Voraussetzungs- urteils entweder positive oder negative Qualität, so daß man im Hinblick hierauf von Seinsgefühlen (das Wort „Sein" in engerem Sinne als positives Sein verstanden) und Nichtseinsgefühlen reden darf. Ganz äußerlich kombiniert, ergeben diese beiden Gegensätzlichkeiten die vier Klassen : Seinsfreude und Seinsleid, Nichtseinsfreude und Nichtseinsleid, was sich in einfachen Symbolen übersichtlich zusammenstellen läßt, indem man etwa mit Wh die Werthaltung, mit deren Objekt, durch Klammern das Objektiv bezeichnet, das Vorzeichen des Objektivs aber rechts oben am Objektssymbol, das Werthaltungsvorzeichen unter dem Werthaltungssymbol anbringt. Man erhält dann: Wh (0+) Wh (0+) + Wh (0-) + . ~ Niemand wird erwarten; daß bei Übereinstimmung im Objekt diese Klassen sozusagen gleichgültig nebeneinander bestehen werden. Was hier zunächst in die Augen fällt, sind gleichsam Störungen in der Möglichkeit des Zusammenseins, kürzer also Unverträglichkeiten, die zu Tage treten, wenn man es mit der Identität des Objektes nur genau genug nimmt. Am Sein eines und desselben Gegenstandes sowohl Freude als Leid zu haben, scheint, für die nämliche Zeit direkt unmöglich^, für verschiedene Zeiten nicht gerade ausgeschlossen, aber inkonsequent und dem Vorwurfe der Launenhaftigkeit ausgesetzt. Die eben gestellte Forderung ausreichender Genauigkeit betrifft die Tatsache, daß etwa ein Ding zugleich sehr verschiedene Eigenschaften hat, deren manche erfreulich, andere sehr unerfreulich sein können. Derselbe Mensch hat neben guten auch schlechte Seiten, ein Apparat kann erhebliche Leistungs- fähigkeit mit geringer Dauerhaftigkeit verbinden. Unter solchen Umständen hat man es eben eigentlich nicht mit einem Werthaltungsobjekte zu tun, sondern mit deren zweien. Eine Schwierigkeit bleibt dabei freilich immer noch übrig, aus der die Theorie hoffentlich noch Gewinn ziehen wird, weshalb sie hier angemerkt sei. Sind es auch die Eigenschaften eines Menschen, auf die sich meine Werthaltung zunächst bezieht, so geht die Werthaltung doch im Sinne einer schon oft konstatierten, im folgenden noch näher zu betrachten^den Übertragung von den Eigenschaften auch auf deren Träger über. So ist es am Ende doch derselbe Mensch, den ich positiv 1 Mehr als einmal ist schon das gleichzeitige Erleben von Lust und Unlust ganz ohne Rücksicht auf den Voranssetzungsgegenstand für unmöglich erklärt worden, vgl. B. Groethuysen, „Das Mitgefühl", Zeitschrift f. Psych., Bd. 34, 1904, S. 199, Anm. 5. • 6* ■■ft^&« «.,>...