78 III. Weiteres zur Wertpsychologie. ständen der Gefühle beigezählt werden und die Frage, ob Gefühle überhaupt fähig sind, Eigengegenstände zu haben, muß ganz ausdrücklich aufgeworfen werden. Die bejahende Antwort hierauf habe ich dem Hinweise auf die Tatsache der emotionalen Partialpräsentation^ entnommen. Auch Gefühle bieten, ähnlich wie die Vorstellungen, dem Intellekte Gegenstände zum Erfassen dar, zum Beispiel die Gegenstände , schön", ^angenehm",^ und haben derlei verschiedene Gefühle trotz Verschiedenheit hinsichtlich dieser Gegenstände immer noch etwas Übereinstimmendes gemein, so tritt dem solchen Gegenständen besonders zugeordneten Inhalte auch beim Gefühle ein von der Variation des Inhaltes relativ unabhängiger Akt an die Seite. Weil aber „angenehm" und „unangenehm% ebenso .schön" und häßlich« und so fort ohne Zweifel gegenständliche Gegen- sätze sind, genauer Gegensätze an den Eigengegenständen der Gefühle, an diesen Gefühlen selbst aber den fraglichen Gegensätzen der Gegen- satz von Lust und Unlust entspricht, so ist nicht wohl daran zu zweifeln, daß der Unterschied von Lust und Unlust nicht, wie man zunächst für selbstverständlich halten möchte, dem Gefühlsakte zugehört, vielmehr (völlig analog zur Inhaltlichkeit des Gegensatzes von Affirmation und Negation beim Urteil) durchaus Sache des Gefühlsinhaltes ist.^ Die weitere Frage, 'inwiefern nun etwa die nach den Gegenstandsvoraus- setzungen differenzierten Klassen der Gefühle auch noch konkomitierende Differentiationen der Inhalte aufweisen, erscheint dadurch in greifbare Nähe gerückt. Um aber zunächst ausdrücklich festzulegen, was an Gegenständ- lichkeit bei Gefühlen anzutreffen ist, haben wir vor allem den bisher allein beachteten angeeigneten Gegenständen allenthalben einen Eigen- gegenstand gegenüberzustellen, ohne daß auf eine Würdigung seiner Bedeutung schon an dieser Stelle eingegangen werden könnte; es soll am geeigneten Orte darauf zurückgekommen werden. Was dagegen die angeeigneten Gegenstände anlangt, so treten, wenigstens bei den Wert- gefühlen, den Objekten die Objektive an die Seite und sprachgebräuchlich macht sich das in einer gewissen Unsicherheit darüber geltend, ob etwa der Grundbesitzer auf den Grund, resp. Grundbesitz oder nicht vielmehr auf die Existenz des Grundes Wert legt. Es ist, was ja leicht genug verstanden werden kann,^ dieselbe Zwiespältigkeit wie beim Begehren, dergemäß das Kind ebensowohl den Apfel als den Besitz des Apfels „wiir, also als „Gegenstand* des Wollens einmal das Objekt, einmal das Objektiv namhaft macht. Immerhin scheint beim Werthalten, wenn man ihm das Begehren gegenüberstellt, das Objekt mehr in den Vordergrund zu treten, wohl deshalb, weil beim Werte, wie sich zeigen wird, die beiden gegensätzlichen Objektive sozusagen am gemeinsamen Objekte sich zu einem Ganzen zusammenschließen. 1 A. a. 0., § 4. 2 A. a. 0., S. 32ff., §11. 8 A. a. 0., S. 32. * Vgl. oben n, § 8. § 1. Zur Beschreibung der Werthaltnngen. 7^ So verdient das Objekt schon bei der Werthaltung ausdrückliche Beachtung und es empfiehlt sich, hier noch einer besonderen Komplikation zu gedenken, die auf die natürliche Zusammengesetztheit aller Objekte und Quasiobjekte zurückgeht, mit denen unser Werthalten zu tun hat. Richtet sich nämlich die Werthaltung auf das Objekt und besteht dieses aus den endlich oder unendlich vielen Bestandstücken Oi, Oi, . . . On, so werden für die Werthaltung normalerweise sicher nicht alle diese Komponenten gleich wesentlich sein. Wer eines Bleistiftes bedarf, um sich damit Notizen zu machen, dem kann es leicht einerlei sein, ob der Bleistift hart oder weich ist. Wer ein gutes Buch schätzt, das er in seinem Besitz hat, wird oft genug nicht danach fragen, in welcher Farbe es gebunden ist und so fort. So zerfallen die Bestimmungen, die den Gegenstand ausmachen, zwanglos in Bestimmungen 0', die für die Werthaltung maßgebend sind und in Bestimmungen 0", die es nicht sind und die so gleichsam die unwesentliche Hülle ausmachen, die den wesentlichen Kern umgibt. Passend kann man dann vom Stand- punkte der Werthaltung aus die 0' als die Kernbestimmungen, die 0" als die Hüllenbestimmungen von bezeichnen. Indem aber die Werthaltung sich gleichwohl dem ganzen Gegenstande zu- wendet, hat es Sinn, auch diese Hüllenbestimmungen cum' grano salis als Objekte der Werthaltung in Anspruch zu nehmen. Wir werden auf sie bei Betrachtung der Werthaltungsvermittlungen^ noch zurückzu- kommen haben. Wenden wir uns nunmehr von den Gefühlsgegenständen den Gefühlen selbst zu, so ist vor allem nicht zu verkennen, daß die oben erwähnte Präsumtion von der qualitativen Gleichheit aller Gefühle (nämlich natürlich der Lustgefühle untereinander und der Unlustgefühle untereinander) sozusagen noch vor dem Versuche liegt, Akt und Inhalt am Gefühlserlebnis selbst auseinander zu halten und daher gestattet, auch bereits ohne Bezugnahme auf eine solche Unterscheidung erwogen zu werden. Was indes für sie spricht, ist schwerlich mehr als die ziemlich abstrakte Möglichkeit, für die sich empirisch darbietenden Verschiedenheiten die intellektuellen Voraussetzungen verantwortlich zu machen^ und durch eine derartige „Reduktion" eine theoretisch vielleicht erwünschte Vereinfachung der Beschreibung zu erzielen. Damit ist indes vorerst jedenfalls die Verschiedenheit der Aspekte anerkannt; um aber zu einem Urteil über die „Reduktion" zu ge- langen, dazu bieten sich ungesucht zwei Wege dar. Einmal kann unter besonderen Umständen der nämliche (angeeignete) Gegenstand zu verschiedenen Gefühlen vom nämlichen Vorzeichen gehören: das nämliche Bild kann mein Wohlgefallen erregen und mir zugleich (viel- leicht wegen seiner Schönheit, vielleicht auch aus anderem Grunde) wert sein ; dennoch ist das Gefühl des Gefallens nicht das Wertgefühl. 1 Vgl. unten III, §4. 2 Vgl. W. Liel, „Gegen eine voluntaristische Begründnng der allgemeinen Werttheorie" in den von mir herausgegebenen „Untersuchungen zur Gegenstands- theorie und Psychologie", Leipzig 1904, S. 527 ff.