68 IL Die Werterlebnisse. falls ihnen dies nicht etwa schon vor aller Transformation eigen ist. Urteilsinhaltsgefühlen mit solchen Voraussetzungen aber kommt im Hin- blick auf das diesen Uutersuchungen gestellte Hauptthema insofern eine bevorzugte Position zu, als wir darin jene Gestalt der Wertgefühle vor uns haben dürften, die dem in seinem Wesen zu exponierenden Wert- gedanken am nächsten stehen. Sie verdienen mit Rücksicht hierauf eine besondere Benennung: ich will sie als Werthaltungen bezeichnen, habe hierzu jedoch etwas Persönliches und etwas Außerpersönliches zu bemerken. Außerpersönlich ist die schon seinerzeit bei Prägung dieses Wortes^ ausgesprochene, aber auch heute noch nicht überflüssige Verwahrung dagegen, als sollte , werthalten" soviel bedeuten als „für wert halten^ was natürlich ein Urteil, genauer ein Werturteil wäre, indes es sich jetzt um ein Wertgefühl handelt. Auf eine gewisse Konvention wird ein solcher Wortgebrauch sicherlich angewiesen sein, aber doch nicht auf eine, der das vorwissenschaftliche Sprachgefühl nicht in wünschens- werter Weise zu Hilfe käme. Wenn wir Alten in Österreich sagen: «Wir wollen das Andenken an unseren dahingeganeenen alten Kaiser hoch- halten", dann heißt das doch nicht, wir wollen dieses Andenken für etwas Hohes halten, es als solches betrachten oder dergleichen. Unver- kennbar ist hier kein Urteil gemeint, sondern ein Gefühl, und zwar ein Wertgefühl, wenn auch natürlich keines, das etwa das „Andenken" im Sinne eines subjektiven Erlebnisses zum Objekt hätte. Einigermaßen persönlich ist dagegen immerhin der Hinweis darauf, daß der Sinn, den ich im obigen dem Terminus „ Werthaltung " beigelegt habe, gegenüber meinem ursprünglichen Vorschlage eine Determination aufweist. Was ich einst „Werthaltung" nannte, war kurzweg das näm- liche wie „Wertgefühl*, was schon an sich eine terminologische Abundanz ausmacht. Jetzt möchte ich nur solche Wertgefühle Werthaltungen nennen, die durch ein Seins- insbesondere Existenz-) Objektiv hindurch auf ein Objekt oder Quasiobjekt als ihr Objekt^ gerichtet sind. Daß ich anderen Gefühlen, bei denen vermöge der Beschaffenheit des Objektivs nicht auch noch ein solches Objekt ausreichend deutlich hervortritt, gleichwohl nicht den Anspruch abstreiten möchte, auch ihrerseits für Wertgefühle zu gelten, findet darin seine Begründung, daß am Ende doch auch sie Wertstellungnahmen bedeuten, wenn dabei auch das Objekt dieser Stellung- nahme wenig deutlich zur Geltung kommt. Vermöge der Transformierbar- keit sind das dann zwar nicht explizite, aber immerhin sozusagen noch implizite Werthaltungen. Nebenbei kann die so zu rechtfertigende Auseinanderhaltung der Termini .Wertgefühl« und „Werthaltung" auch noch einer anderen Differentiation nutzbar gemacht werden. Den Wertgefühlen ist zwar, wie wir wissen, die Präponderanz des Voraussetzungsinhaltes über den Voraussetzungsakt eigen ; wir haben aber auch schon gesehen, daß das nicht soviel besagt wie völlige Bedeutungslosigkeit von Aktverschieden- 1 .Psvch eth. Unters, z. Werttheorie", S. 14 [auch Register]. 2 Womit der Eventualität von Gefühlsobjekten noch in anderem Sinne wieder nicht vorgegriffen sein soll, vgl. unten III, § 1. § 9. Die Werthaltnngen. 69 heiten. So ist es insbesondere für die Wertgefühle keineswegs einerlei, ob ihr Voraussetzungsurteil als Gewißheitsurteil oder nur als Vermutung auftritt und es war bereits im Vorübergehen^ daran zu erinnern, daß man es im letzteren Falle mit den elementaren Gestalten dessen zu tun hat, was, freilich meist in der komplexen Form eines Affektes auftretend, als Hoffnung, respektive Furcht bezeichnet wird. Auch dabei hat man es mit etwas wie mit einer Wertstellungnahme zu tun, so daß den Aus- druck „Wertgefühl" anzuwenden ganz wohl am Platze scheinen könnte. Hinter andere Erlebnisse jedoch, von denen der persönliche Wert sich sozusagen ableitet, tritt derlei doch ganz merklich zurück. Der Wert eines Objektes (respektive Quasiobjektes) bestimmt sich natürlichst nicht nach unserem Vermuten, sondern nach unserem Glauben (nämlich mit Gewißheit Glauben) in betreff des Seins des Objektes, wenn dabei auch von Gewißheit mehr im praktisch beiläufigen als im erkenntnistheoretisch strengen Sinne zu reden sein wird. Es wird also sachgemäß sein, in den Begriff der Werthaltung auch die Gewißheit des Voraussetzungs- urteiles mit aufzunehmen, wobei nur noch ausdrücklich beizufügen ist, daß dadurch über die Modalität eines allenfalls als Quasiobjekt auf- tretenden Objektivs nichts präjudi ziert ist. Das muß ausdrücklich erwähnt sein, weil vermöge des engen Zusammenhanges zwischen Ungewißheit und Wahrscheinlichkeit respek- tive Möglichkeit^ ganz wohl mit herabgesetzter Modalität auch niedrigerer Gewißheitsgrad an ein Wertgefühl herantreten kann, ohne diesem die Eigenart von Hoffnung oder Furcht zu verleihen. Solches ist bei dem der Fall, was ich an anderem Orte^ als Möglichkeitswerte bezeichnet habe. Wo es sich um den Wert einer Chance handelt, hat man es zu- nächst mit einem möglichen Objektiv als Quasiobjekt zu tun. Darin liegt dann jederzeit das Recht, die Tatsächlichkeit des Objektivs mit an- gemessener Stärke zu vermuten und so zum Tatbestande der elementaren Hoffnung oder Furcht überzugehen. Findet ein solcher Übergang jedoch nicht statt, so macht die bloße Möglichkeit des Quasiobjektes kein Hinder- nis aus, das vorliegende Werterlebnis als Werthaltung zu betrachten.* Zusammenfassend läßt sich sagen: Da Werthaltungen mit Quasi- objekten genau genommen stets zwei Objektive haben, so kann das Vermuten, falls es hier an Stelle des Urteilens mit Gewißheit tritt, an zwei verschiedenen Stellen angreifen. Ist das Vermutete das Objektiv höherer Ordnung, dann liegt keine eigentliche Werthaltung, wohl aber je nach Gefühlsvorzeichen entweder Hoffnung oder Furcht vor. Wird dagegen das Objektiv niedrigerer Ordnung vermutet, indes das Objektiv höherer Ordnung mit Gewißheit erfaßt wird, dann hat man es in der Vermutung leicht mit dem Äquivalent eines Möglichkeitsurteiles '^ zu 1 Vgl. oben S. 63. 2 VgL „Über Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit" [Register]. 3 „Über Möglichkeit und Wahrschpinlichkeit", S. 82. * Die Ausführungen „Über Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit", S. 82 f., dürften in diesem Sinne einer Nachbesserung bedürfen. 6 Vgl. „Über Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit" [Register].