^ 64 n. Die Werterlebnisse. § 7. Inhaltsgefühle und Aktgefühle. 65 man dem Gegenstände derselben, soweit er bekannt ist, eine möglichst bevorzugte Stellung in der Aufmerksamkeit einräumt. Das greift dann auch auf das solchen Gefühlen zugeordnete Begehren über, sofern man zum Beispiel beim Spazierengehen, bei Jagd oder Spiel sich völlig fiktive Ziele steckt, indes man die eigentlichen Gegenstände der betref- fenden Lustgefühle nur mit zweifelhaftestem Erfolg in das Zentrum seines Begehrens setzen dürfte. Man kann also zusammenfassend behaupten: es gibt auch Vor- stellungsgefühle, bei denen der Voraussetzungsakt, und solche, bei denen der Voraussetzungsinhalt die Hauptrolle spielt. Jene kann man Vor- stellungsakt-, diese Vorstellungsinhaltsgefühle nennen und dann jenen die Wissensgefühle als Urteilsakt-, diesen die Wertgefühle als Urteils- inhaltsgefühle an die Seite setzen. Die Phantasiewertgefühle schließen sich dabei der Charakteristik der Ernstwertgefühle zwanglos an, während für das allfällige Phantasieseitenstück der Wissensgefühle aus dem oben angegebenen Grunde die Bezeichnung „ Phantasiewissensgefühl " schwer anwendbar ist. Eine Frage kann diesem Ergebnis gegenüber nicht ganz unberührt bleiben: wie ist es mit der Gegenständlichkeit von Gefühlen bewandt, bei denen der Voraussetzungsinhalt so sehr hinter dem Voraussetzungs- akt zurücktritt, wie wir dies bei den Aktgefühlen eben gefunden haben? Bei den Inhaltsgefühlen besteht in dieser Hinsicht natürlich keinerlei Schwierigkeit; kann aber ein Gegenstand, der durch den bei den Akt- gefühlen so wenig ausschlaggebenden Inhalt ihrer Voraussetzungen präsentiert ist, überhaupt noch einen Gegenstand des betreffenden Gefühles ausmachen, und wenn nicht, wo ist dann der Gegenstand solcher Gefühle zu suchen? Speziell bei den Wissensgefühlen legt diese Benennung es beson- ders nahe, zu meinen, ihr Gegenstand, das also, an dem man sich da eventuell freut, sei eben das Wissen, also etwas ganz anderes als was der Inhalt des betreffenden Voraussetzungsurteiles zu erfassen vermag, indem dieses nicht auf das Wissen, sondern auf das günstigen Falles Gewußte gerichtet ist. Und ohne Zweifel gibt es Gefühle, die sich als Freude am Wissen beschreiben lassen. Aber wer sie erlebt, denkt eben ausdrücklich daran, daß er weiß, sein Gefühl wendet sich also an das vom Fühlenden erfaßte Dasein eines Wissens, das heißt es handelt sich da um ein Existenzgefühl, wie es uns in so vielen Wertgefühlen begegnet, nur mit der besonderen Bestimmung, daß das Existierende, worauf es diesmal ankommt, das Wissen ist. Bei der sonst so großen Variabilität der Objekte möglicher Wertgefühle könnte man den ganz speziellen Fall, wo das, worauf Wert gelegt wird, statt eines anderen Gegenstandes ein Wissen ist, unmöglich einer ganz anderen Klasse von Gefühlen zuweisen. So paradox es klingen mag, daß ein Gefühl, das ganz ausdrücklich auf ein Wissen geht, doch kein Wissensgefühl sein soll, diese Konsequenz wird gleichwohl im Hinblick auf den Sinn, in dem oben der Ausdruck ^Wissensgefühl" eingeführt worden ist, gezogen werden müssen: wir haben es hier mit einem Wertgefühl zu tun, dessen Besonderheit immerhin in der Benennung zum Ausdrucke gelangen kann, wenn man es, nach St. Witasek^ , Wissens wertgefühl« nennt. Was dagegen die eigentlichen Wissensgefühle anlangt, so konnte es nun bei ihnen wie bei den übrigen Aktgefühlen nächstliegend Schemen, in ihrem Voraussetzungsakte zugleich ihren Gegenstand zu vermuten. Aber die direkte Empirie zeigt die Gefühle unter normalen Umstanden so wenig auf den Akt gerichtet, wie auf die Gesamtvoraussetzung. Versucht man es aber etwa bei einem angenehmen Vorstellungsakt- gefühl nun den Voraussetzungsakt in ähnlicher Weise durch die Auf- merksamkeit hervorzuheben, wie oben den Voraussetzungsgeaenstand, so hat dies höchstens eine • Unterbrechung im ungestörten Ablauf des Gefühles, sicher aber wieder keine Steigerung der Annehmhchkeit zur Folge. So bleibt kaum etwas anderes übrig, als eben, auch den mehr zurücktretenden Gegenstand als Gegenstand des betreffenden Gefühles gelten zu lassen, in dem immerhin vielleicht etwas beiläufigen bmne, der hier vorersts nach altem Herkommen dem Worte „Gefühlsgegen- stand" beigelegt worden ist. In der Tat, obwohl dem wirklich objektiven Historiker die Echtheit einer gewissen Urkunde nicht mehr am Herzen liegen darf als ihre . Unechtheit, bleibt doch der Gegenstand, an den sein theoretisches Gefühl sich knüpft, eben das, was seine Forschung über die Urkunde festgestellt hat. Und auch sein Wissensbegehren, wie es sich etwa in einer Frage formuliert, hält sich an dieses gegen- ständliche Material : ich hatte bereits an anderem Orte darauf hinzu- weisen wie wenig der Fragende sein Begehren eigentlich auf em Urteü richtet, und wie das vulgäre „ich möchte wissen" eigenthch eine irrige Beschreibung der unter normalen Umständen vorliegenden Sachlage m sich schließt^ [^o]. x / ^ • • . So ist also keineswegs ein eigenartiger Gegenstand dasjenige, was die Wissensgefühle gegenüber den Wertgefühlen charakterisiert. Leicht mag derselbe Gegenstand einmal einem Wissens-, einmal einem Wert-efühle zugehören, so daß man billig fragen mag, worin dann der meist" so auffällige Unterschied im Aspekt der beiden Erlebnisse gelegen sein kann Denn die erwähnte Verschiedenheit im relativen Anteil von Akt und Inhalt am Ergebnis kann in den Aspekt so wenig emgehen, als man es etwa einem geworfenen Würfel ansehen kann, in welchem Maße der Ausfall des einzelnen Wurfes durch die mehr oder weniger exzentrische Lage des Schwerpunktes bedingt war.* Tritt Kausalität überhaupt nicht in die Erscheinung, so womöglich noch weniger das Gewicht der Teilursachen. Es wird also kaum anderes übrig bleiben, als das die beiden Gefühlserlebnisse von einander Unterscheidende m der 1 Vffl. „Grandzüge der Ästhetik", S. 255. ^ .* ^ „« 2 Anf eine andere Wortanwendting werden wir nns weiter nnten ge- führt finden. Vgl. III, § 1. . .. u o nn t 3 Vffl. .Über emotionale Präsentation , b. 97 t. . ^. ^ .^u 4 Vgl. anch meine Ausführungen über „Phantasievorstellarg nnd Phanta^e in der Zeitsschr. f. Phil. n. philos. Kritik, Bd. 95, 1889, abgedruckt in Bd. I der Gesammelten Abhandlungen, S. 193— 27L * 5 Meinong, Zur Grundlegung der allg. Werttheorie. ^X^AMtlb/k-