62 IL Die Werterlebnisse. § 7. Inhaltsgefühle nnd Aktgefähle 6a -,'* Hauptsache einräumt und dieser Hauptsache auch die Hauptuntersuchung: zuwendet. Wollen wir inzwischen sowohl Ernst- als Phantasiegefühle in Rücksicht ziehen, dann bietet uns die Möglichkeit, Urteilen und Annehmen in dem Ausdrucke „Denken" zusammenzufassend ein Mittel, die Wert- gefühle als Denkgefühle zu charakterisieren. [^^] § 7. Iiihaltsgefühle und Aktgeftthle. Inzwischen ist durch diese Bestimmung die erforderliche Deter- mination der sich als Werterlebnisse darstellenden Gefühle noch immer nicht erreicht. Sind nämlich auch alle Wertgefühle Denkgefühle, so keineswegs umgekehrt auch alle Denkgefühle Wertgefühle. Auf das Bedürfnis, in der Differentiation noch weiter zu gehen, fand ich mich seinerzeit^ durch die Tatsache hingewiesen, daß manche Urteilsgefühle eine auffallende Gleichgültigkeit gegen den Wechsel in der Qualität der ihnen zu Grunde liegenden Urteile aufweisen, indes andere auf einen solchen Wechsel, wenn man so sagen darf, auch mit einem Wechsel in der Gefühlsqualität reagieren. Nur Gefühle dieser zweiten Art sind Wertgefühle, denen ich die Gefühle erster Art als Wissensgefühle ent- ^ gegengestellt habe.[i^] Ein tieferer Einblick in das Wesen des hier vor- liegenden Gegensatzes ist indes erst zu gewinnen, wenn man, in der Hauptsache dem Vorgange St. Witaseks^ folgend, neben den Urteilen auch die Annahmen in Betracht zieht, andererseits merkwürdige Analogien mit berücksichtigt, die nicht mehr dem Gebiete des Denkens, sondern dem des Vorstellens angehören. Es stellt sich dabei heraus, daß der in Rede stehende Gegensatz auf den Anteil zurückgeht, der in jedem der beiden Fälle einerseits dem Urteilsakte, andererseits dem Urteils- inhalte an dem resultierenden Gefühle zukommt. Unterscheiden sich nämlich vor allem Urteil und Annahme von einander durch die Eigenart des dort und hier vorliegenden Denkaktes, indes eventuell nicht nur der zugrunde liegende Vorstellungs-, sondern auch der Denkinhalt ganz wohl übereinstimmen könnend so verrät sich in der eben erwähnten Empfindlichkeit der Wertgefühle für den Wechsel von Ja und Nein an dem Urteile, auf das sie gegründet sind, [' 'j ein wesentlicher Anteil des Urteilsinhaltes, [^^] indes die mindestens relative Unempfindlichkeit dafür bei den Wissensgefühlen auf den Mangel an einem solchen Anteil schließen läßt. Damit kontrastiert bei den 'Wissensgefühlen deutlich deren Empfindlichkeit gegen Veränderungen im Denkakte, indem, falls hier das Urteil der bloßen Annahme platz- macht, das Gefühl ganz oder nahezu ganz erlischt, übrigens auch dann schon eine wesentliche Modifikation erleidet, wenn Ungewißheit an Stelle der Gewißheit getreten ist. Die Wertgefühle zeigen sich, was ihre Empfindlichkeit gegen Veränderungen des Denkaktes anlangt, den Wissensgefühlen nicht in dem Maße entgegengesetzt, wie inbetreff des Denkinhaltes. Tritt nämlich bei ihnen Ungewißheit an Stelle der Gewiß- heit, so wird aus dem eigentlichen Wertgefühl die emotionale Grund- lage von Hoffnung oder Furcht^; tritt die Annahme an die Stelle des Voraussetzungsurteiles, so verwandelt sich das Ernstwertgefühl in ein Phantasiewertgefühl. Aber den Charakter des Werterlebnisses behält, was so resultiert, immer noch, indes der Annahme gegenüber von Wissensgefühl kaum in irgend einem verständlichen Sinne mehr die Rede sein könnte. Was sich so in betreff eines herrschenden Anteils von Voraus- setzungsakt, respektive Voraussetzungsinhalt herausstellt, findet nun auch in der Tatsache seine Bekräftigung, daß eine analoge Anteilsverschieden- heit wie an den psychologischen Voraussetzungen der Denkgefühle so auch an jenen der Vorstellungsgefühle vermutet werden muß. Dies ergibt sich, wenn man hier die ästhetischen Gefühle den sinnlichen gegenüberstellt. Dabei kann die Frage, ob alle ästhetischen Gefühle als Vorstellungsgefühle zu betrachten sind^, unerwogen bleiben: ohne Zweifel sind zum Beispiel die ästhetischen Gefühle an Raumgestalten, Farben, Tönen und andere Vorstellungsgefühle [^^]. Bei ihnen ist es selbstverständlich, daß für ihren Ausfall die vorgestellten Gegenstände und sonach die dem Erfassen dieser Gegenstände zugrunde liegenden Inhalte^ wesentlich sind, indes die relative Gleichgültigkeit des Vor- stellungsaktes hier daraus erhellt, daß Melodien oder Ornamente gün- stigen Falles nicht nur gefallen, wenn man sie hört, respektive sieht, sondern auch, wenn man sie in der Phantasie vergegenwärtigt. Ganz anders verhalten sich die sinnlichen Gefühle zur Abänderung des Voraus- setzungsaktes von der Ernst- in die Phantasievorstellung: sie gehen, falls sie nicht ganz verschwinden, in so wenig deutliche Phantasie- gefühle über, daß es meist recht schwer ist, selbst heftige sinnliche Schmerzen in der Erinnerung auch nur mit einiger Anschaulichkeit festzuhalten. Das hat dann zugleich noch darin seinen Grund, daß die Gegenstände dieser Gefühle oft auch unter den für die Gefühle gün- stigen Umständen, nämlich wenn die Voraussetzungsvorstellungen durch die Beschaffenheit ihrer Akte als Ernstvorstellungen charakterisiert sind, so wenig deutlich hervortreten und dadurch die relative Unwesentlich- keit ihrer Inhalte verraten. So kommt es auch, daß man selbst bei heftigen sinnlichen Schmerzen so leicht einen ihnen eigenen Gegenstand vermißt, dort aber, wo man einen solchen doch herausfinden zu können meint, ein Verständnis dafür, warum gerade er von solchen Schmerzen begleitet ist, in besonders geringem Maße aufzubringen vermag. Anderer- seits würde man bei lustvollen Körper- oder Temperaturempfindungen vergebens eine Luststeigerung dadurch herbeizuführen versuchen, daß 1 Vgl. St. Witasek, „Gnmdlinien der Psychologie", Leipzig 1908. 2 Vgl. „Psych, eth. Unters, usw.". . 3 Vgl. „Grxindzüge der aUgemeinen Ästhetik", S. 195 ff., auch „Grundlinien der Psychologie", S. 322 ff. * Vgl. „Über Annahmen" 2, § 59. 1 Vgl. „Psych, eth. Unters, usw.", S. 56 ff., vgl. auch unten II, § 9. 2 Vgl. ,Über emotionale Präsentation". Sitzungsberichte d. Akad. d. Wiss., Wien 1917, Fhilos. bist. Kl., Bd. CLXXXIII,.S. 87 f. 3 Über Inhalt und Gegenstand vgl. „Über Möglichkeit und Wahrschein- üchkeit" [Register]. ...1fi£fe. ttJM^rtiatSiik^j.':. ^.