'Vi 'V- 58 n. Die Werterlebnisse. § 6. Denk- nnd insbesondere Urteilsgefühle. 59 iS-t'*. IM ;^ zwar vorliegt, aber kein Wertgefühl auslöst, weil der Ausübende an die Aufrichtigkeit der Beifallsäußerung nicht glaubt; es liegt dies jedoch außerhalb der Sphäre unserer augenblicklichen Interessen, die es ja mit Fällen zu tun haben, wo Wertgefühle erlebt werden und nicht mit solchen, wo diese nicht erlebt werden. Hatten es die bisherigen Beispiele mit Werterlebnissen zu tun, denen die Wertobjekte nahe standen bis zur Gegenwärtigkeit, so ist es nun leicht, zwischen beide längere Zeitintervalle zu schieben, was für die Kausalauffassung dann eine entsprechende Verlängerung der Kausal- reihe zu bedeuten hätte. Der Musiker unserer früheren Beispiele hat für sein Instrument nicht nur dann ein Wertgefühl, wenn es ihm sinnlich gegenwärtig ist, sondern auch, wenn räumliche und zeitliche Ferne die Wahrnehmung ausschließen. Eine Kausal Verknüpfung zwischen Wertgefühl und Wertobjekt ist hier mit Hilfe der Erinnerung eventuell noch herzu- stellen; je länger aber so die Kausalreihe wird, desto dringender wird die schon beim Ofenbeispiel aufgeworfene Frage, ob eine so vielvermittelte Relation, wie die in Rede stehende Verknüpfung, einen so unvermittelten Aspekt darbieten kann, und warum unter den nun noch viel zahlreicheren kausalen Antezedentien gerade das bevorzugt ist, was als Wertobjekt auftritt. Nun kann aber die Sachlage ganz wohl eine derartige sein, daß das Wertobjekt auch nicht in irgend einem, gleichviel wie zahlreiche Zwisclienglieder einschließenden Sinne als die Ursache des W^ertgefühles betrachtet werden darf. Ich weiß von einem fernen Freunde, mit dem ich nur nicht etwa in telegraphischer Verbindung bin, daß der heutige Tag ihm die Erfüllung einer Lebenshoffnung bringen wird, und herzlich Anteil nehmend begleite ich ilin in Gedanken auf diesem wichtigen Stück seines Schicksalsweges. Daß ich dabei Wertgefühle erlebe, ist hier ebenso außer Zweifel wie die Tatsache, daß, was sich eben erst in der Ferne zuträgt, sich an mir nicht kausal betätigen kann. Indessen gibt es nun einen noch viel leichter gangbaren Weg, sich von der Unwesentlichkeit der Kausalverbindung, genauer von deren Entbehrlichkeit für die Werterlebnisse als solche zu überzeugen. Sie muß ja ohne weiteres einleuchten, wenn man Wertgefühle aufzuzeigen imstande ist, die sich weder auf Gegenwärtiges, noch auf unmittelbar Vergangenes richten, wodurch dann mindestens ein unmittelbarer, in vielen Fällen aber auch jeder mittelbare Kausalnexus ausgeschlossen ist. Nun gehören aber Erlebnisse dieser Art zum Allergewöhnlichsten. Schon in seiner eigenen Vergangenheit hat ja jeder Erwachsene einen Besitz, an dem auch dem Ärmsten gar manches, dem vom Glück Begünstigten gar vieles wert sein wird. Noch selbstverständlicher mag es sein, daß dem einigermaßen normal V^eranlagten schon die ferne, noch mehr aber die nahe Zukunft nichts weniger als gleichgültig ist, da sich sein Interesse fast unausgesetzt derselben zuzuwenden pflegt. In solchem Künftigen aber haben wir zugleich die Hauptgruppe jener Fälle vor uns, die den Gedanken an ein Verursachen des ihnen zeitlich vorangehenden Wertgefühles schon vermöge der Natur des Kausal- gedankens nicht aufkommen lassen. Man hat versucht, die Schwierigkeiten, auf die die Kausalauf- fassung sonach zu führen scheint, durch die Aufstellung zu beseitigen, es komme, „um den Satz auszusprechen: »dies hat Wert«, nicht darauf an, ob man augenblicklich Lust hat, das heißt, augenblicklich Lust- wirkung erfährt, sondern nur darauf, daß man den Gegenstand als lustwirkend kennen gelernt hat, also weiß, daß er Lust wirken kann*.* Und in der Tat kann nicht bezweifelt werden, daß nicht nur tatsächliche, sondern auch mögliche Lustkausation Wert mit sich führt. Aber möglich und wirklich stehen dabei doch nicht etwa auf gleichem Niveau, so daß es etwa nur auf das Kausalmoment ankäme und insbesondere gibt es Möglichkeiten in Menge, die viel zu entlegen sind, um einen nennens- wert ins Gewicht fallenden Wertbetrag zu ergeben. Dem Wertgefühle bei fehlender, eigentlich also nur eingebildeter Ursache, wie wir sie im Beifallsbeispiel angetroffen haben, ist in dieser Weise überhaupt nicht Rechnung zu tragen. Wir haben bisher ausschließlich existierende Wertobjekte in Betracht gezogen, wissen aber schon von unseren ersten hierhergehörigen Er- wägungen her, daß es auch Wertgefühle gibt, die sich auf Nicht- existierendes beziehen. Es ist nun ohne weiteres klar, daß jeder solche Fall die Kausalbetiachtung a limine ausschließt. Kausieren kann ja nur, was existiert; wir können aber auch den Fall der Nichtexistenz als Wertfall in Betracht ziehen. Allerdings ist mir das Recht, dies zu tun, in Abrede gestellt worden. Ich hatte behauptet: „Nichtexistenz der Krankheit" könne Wert haben. Dem wird aber entgegengehalten : „»Nicht- existenz der Krankheit« sagt doch zunächst gar nichts, es wird kein bestimmtes Gegebenes getroffen. Daher kann allerdings Nichtexistierendes (Nichtwirkendes, Nichtwirkliches) nicht »Wert« haben, weil das, was »Wert« hat, stets Wirkendes = Wirkliches = Existierendes ist. Meint Meine ng dennoch: Nichtexistierendes habe »Wert«, so meint er unter Nichtexistenz der Krankheit sofort schon ein Bestimmtes, nämlich Gesund- heit, also ein Existierendes, also Wirkliches . . .".^ Hier mit Nichtexistenz der Krankheit Existenz der Gesundheit „gemeint" zu haben, muß ich durch- aus in Abrede stellen. Noch wichtiger scheint mir indes, daß jeder Grund fehlt, warum ich solches etwa hätte meinen sollen. Positiver und negativer Sachverhalt gestatten hier ersichtlich eine völlig gleiche Behandlung. Kein günstigeres Schicksal hat die Kausalauffassung von der Seite solcher Wertgefühle zu erwarten, die überhaupt nicht auf Existierendes, sondern auf Bestehendes, respektive Nichtbestehendes gerichtet, wo also die Wertobjekte idealer Nutur sind. Kausalität betrifft ausschließlich Existierendes : was also nicht real ist,^ kann für eine Kausalbetrachtung von vornherein nicht in Frage kommen. Kaum mehr als eine nun schon völlig entbehrliche Zugabe ist es, auch auf jene Fälle von Wertstellungnahme hinzuweisen, wo das 4- ■I •I 1,: 1 E. Hey de, „Grundlegung der Wertlehre*, S. 95. 2 E. Hey de, «Grundlegung der Wertlehre", S. 106. 3 Über den Gegensatz zwischen Idealem und Realem vgl. „Über Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit" [Register].