50 II. Die Werterlebnisse. § 5. Wertgefühle als Seinsgefühle. 51 & m m. ICi"? "ß,-' gewöhnlich Begehrung nennt, eine von verschiedenen möglichen Deter- minationen ausmacht, die sich cum grano salis an dem, was man auch schon vulgär „Gefühl" nennt, aufweisen lassen. Ohne indes hierauf an dieser Stelle schon einzugehen, soll zunächst hinsichtlich des Gefühls nachgesehen werden, ob etwa jedes Gefühlserlebnis zur Rolle des Werterlebnisses geeignet ist oder ob es ein Gefühl von besonderer psychologischer Beschaffenheit sein muß.^ Daß in dieser Hinsicht kein Gefühl in Betracht gezogen werden könnte, das nicht auf einen Gegen- stand gerichtet ist,^ steht außer Zweifel, möchte aber nicht wohl als Einschränkung in Anspruch zu nehipen sein, da ein von aller gegen- ständlichen Grundlage losgelöstes Gefühl seiner natürlichen Unselbstän- digkeit wegen niemals vorkommen wird.^ Dagegen scheint zu einer weiteren Beschränkung die Erfahrung auf den ersten Blick keinen Anlaß zu bieten: wo immer ein Gefühl sich einem Objekte zuwendet, hat man Grund, dem betreffenden Objekte Wert beizumessen, ja dieser Wert ist oft höher oder niedriger nach Maßgabe der größeren oder geringeren Stärke des betreffenden Gefühles, wie auch immer dieses sonst beschaffen sei. Aber sieht man näher zu, so wird leicht deutlich, daß ich zwar dem Ofen in meinem Zimmer sicher deshalb Wert beimesse, weil er das Zimmer wärmt und mich so im Winter vor einer unangenehmen, das ist von Unlust begleiteten Temperaturempfindung schützt,* eventuell wohl auch eine lustvolle Temperaturempfindung an Stelle der unlustvollen setzt, — daß ich aber doch keineswegs den Wert fühle, indem ich die Annehmlichkeit der Zimmerwärme erlebe. Wäre die Annehmlichkeit der Wärme das Wert- erlebnis, dann könnte ich auf den Ofen nur höchstens so lange Wert legen, als er warm ist, indes jedermann, indem er den Ofen heizt, dadurch betätigt, daß ihm auch am künftigen warmen Ofen gelegen ist. Man muß sich bei der Beurteilung der Sachlage nur vor einem Miß- verständnis hüten, das durch das Gewicht veranlaßt sein könnte, das im Vorangehenden auf die bloß möglichen Werterlebnisse hat gelegt werden müssen. Handelt es sich um dasjenige, was den Wert eines Objektes ausmacht, so ist der Hinweis auch schon auf das mögliche Werterlebnis sicher ausreichend; nur liegt natürlich, solange es bloß beim möglichen Werterlebnis bleibt, eine aktuelle Wertstellungnahme nicht vor. Im gegenwärtigen Zusammenhange ist es dagegen gerade eine solche Stellungnahme, von der die Rede ist. Es soll ja glaublich gemacht werden, daß das sinnliche Gefühl, das die Ofenwärme mit sich führt, selbst noch kein, natürlich kein aktuelles Wertgefühl ist, indem ein solches Wertgefühl günstigen Falles auch dem kalten Ofen gegenüber im Hinblick auf Künftiges (am Ende sogar auch auf Ver- gangenes) sich sehr wohl einstellen kann, das sinnliche Gefühl dagegen nicht. Man ersieht daran, daß das Temperaturgefühl eben doch kein 1 Vgl. .,Über Ann ahmen "2, S. 329 ff. 2 A. Messer, „Psychologie", S. 302 f. ' Einigermaßen gegen A. Messer, a. a. 0., S. 307. * Vgl. auch „Über Annahmen"2, S. 329 ff. Werterlebnis ist, wenn es auch unter Umständen in gewissem Sinne die Grundlage eines solchen Erlebnisses abgeben mag. In derselben Weise kann eine Speise ganz wohl Wert haben, weil sie wohlschmeckend ist; dennoch ist der Wohlgeschmack, auch wenn man daran nur die Gefühlsseite in Betracht zieht, kein Werterlebnis. Ganz das nämliche gilt von ästhetischen Gefühlen, so grundverschieden sie sonst von den sinnlichen Gefühlen sein möaen. Auf ein Gemälde etwa wird man eventuell hohen Wert legen um der Gefühle willen, die es im Beschauer wachruft; aber diese Gefühle sind doch keines- wegs das, in dem das „mir wert sein" besteht. Sind also auch unsere Werterlebnisse zunächst Gefühle, so sind doch nicht umgekehrt alle Gefühle Werterlebnisse. Die Gefühle, die es sind, können passend Wertgefühle heißen, und nach ihrer psychologischen Natur ist jetzt die Frage. * In ein einigermaßen anderes Licht könnte diese Angelegenheit durch die jetzt von Th. Haering vertretene^ Auffassung gerückt erscheinen, der zufolge das Gesamtgebiet der Werte sich in Teilgebiete der ökono- mischen, ethischen, ästhetischen und hedonischen Werte zerlegt. Dem- nach müßte das Gefühl, das der warme Ofen oder das künstlerisch wirksame Bild erregt, doch ebenfalls ein W>rtgefühl sein, unbeschadet der von unserem Autor ausdrücklich^ offen gelassenen Möglichkeit, daß diese Objekte um dieser Werte willen noch einmal gewertet werden können. Und in der Tat ist, von ästhetischen oder logischen Werten zu reden, durchaus sprachgemäß und ich selbst bin für eine Einteilung zunächst der Gefühle, dann ihrer Gegenstände eingetreten^, die auf psychologischer Grundlage sich nahezu derselben Gedanken und Termini bedient*. Aber was auf diese Weise zu determinieren ist, hat mir nicht der Wert zu sein geschienen, wenigstens nicht der Wert im eigentlichen, sondern nur in einem einigermaßen erweiterten Sinn, dem gegenüber mir ein Ausdruck wie „Dignitativ" oder günstigen FaUes ,Dignität" vor Mißverständnissen sicherer geschienen hat.^ Natürlich tun auch hier die Namen nichts oder nicht viel zur Sache. Aber die Sache, nämlich die des natürlichen Wertgedankens, schiene mir berührt, wenn durch ausschließlich weiten Gebrauch des Wortes „Wert" der engere und, wie mir scheint, eigentliche, zugleich sehr charakteristische Sinn dieses Wortes verloren ginge. Die Annehmlichkeit des warmen Ofens oder der wohlschmeckenden Speise wird kein ungezwungen Redender einen Wert nennen, sondern höchstens die Grundlage für einen solchen, und mit der Schönheit des Bildes wird es auch nicht anders bewandt sein, indes man einerseits einer echten Perle, andererseits einer guten Handlung 1 Vgl. dessen „Untersuchungen" und nunmehr auch die ,,Bpiträge". 2 Vgl. z. B. „Beiträge usw.", S. 4 f. 3 „Für die Psychologie und gegen den Psychologismus in der allgemeinen Werttheorie", Logos, Bd. III, S. 1—14; „Über emotionale Präsentation", §10 f. 4 Nur nahezu, sofern die beiden Klassen des Ökonomischen und Ethischen bei mir m die eine Klasse des „Timologischen" („Emotionale Präsentation", S. 179) vereinigt worden sind. 5 Vgl. „Über emotionale Präsentation", S. 113, 177. 4* Jm^brnJuHk