48 II. Die Werterlebnisse. § 5. Wertgefühle als Seinsgefühle. 49 • < It f * I } ^,=ä If;-:- rtt welchem Gebiete diese Gegensätzlichkeit zu suchen sein möchte, nicht wohl aufkommen: wenn die Dispositionen, Tendenzen und so weiter nicht schon selbst auf Werte respektive Unwerte gerichtet sind, so müssen sie entweder Lust- oder Unlustgefühle, immerhin even- tuell auch entweder Begehrungen (im engeren positiven Sinne) oder Widerstrebungen betreffen. Es gibt Dispositionen und Tendenzen in Menge, denen zuzugehören keinen Wert oder doch keinen, positiven, sondern einen negativen Wert ausmacht. Es erhellt daraus, daß nicht schon die Zugehörigkeit zur Disposition den Wert konstituiert, für diesen vielmehr auch die emotionale Natur des Dispositionskorrelates wesent- lich ist. Dann erscheint aber doch wieder der Wert durch Bezugnahme auf Erlebnisse bestimmt, und auch darin besteht Übereinstimmung mit den Ergebnissen unserer bisherigen Untersuchungen, daß diese Wert- erlebnisse unvermeidlich emotionaler Natur, also Gefühle oder Begeh- rungen sein müssen. Den Aufstellungen Th. Haerings ist damit keineswegs so diametral entgegengetreten, als auf den ersten Blick scheinen könnte; ist es doch, me wir sahen, bloß das „Innewerden" des Wertes, was er als „Wer- tung" bezeichnet.* Im Gegensatze hiezu wird hinsichtlich dessen, was wir unter dem Namen des Werterlebnisses zu bestimmen begonnen haben, dem Werte, wenigstens soweit er persönlicher Wert ist^, viel- leicht eine wesentlich konstitutivere Funktion zukommen, die unser Autor gelegentlich^ selbst ins Auge zu fassen scheint. Die Möglichkeit rein intellektuellen „Innewerdens" jedoch könnte leicht auch derjenige zugestehen, der hinsichtlich der konstitutiven Erlebnisse vom Erfordernis emotionaler Natur nicht absehen zu können meint. Ob freilich unserem Autor der beabsichtigte Nachweis für die ausschließlich intellektuelle Natur manchen „Wertinnewerdens", also für den „intellektuellen Typus" desselben auch wirklich geglückt ist? Seiner Berufung auf die Aussagen der Versuchspersonen ist ja doch jedenfalls entgegenzuhalten, daß diese Aussagen selbstverständlich nicht die Erlebnisse der Versuchspersonen, sondern nur deren Meinung über ihre Erlebnisse darbieten. Diese Meinungen möchten aber einer prin- zipiellen Modifikation bedürfen, wenn ich mit meinen Aufstellungen über Phantasie-Emotionen,^ die auch den weiteren Ausführungen gegen- wärtiger Schrift zugrunde zu legen sein werden, im Rechte bin und auf die Bedacht zu nehmen unser Autor unterlassen hat. Hat man 1 Zweifelhaft ist mir, ob das ausnahmslos so gemeint ist, vgl. z. B. „Bei- träge nsw."*, S. 9, „das unmittelbare Innewerden .... des ... . Wertes und andererseits das relativ unabhängige Erlebnis eines solchen Wertes selbst\ eine Gegenüberstellung, die ich mit der Identifikation nicht wohl in Einklang bringen kann. ^ -, x^ ,. ^ i. j 2 Indes beim unpersönlichen Wert auch wir auf das Erfassen durch das Werterlebnis zurückzukommen haben werden, vgl. unten IV, § 7. 3 Vgl. seine Stellungnahme zu meinen „Werthaltungen", „Beiträge usw. , S. 48, einem Thema, auf das in gegenwärtiger Schrift erst weiter unter (II, § 9) eingegangen werden kann. * Vgl. „Über Annahmen"2, S. 309 ff. nämlich, zum Beispiel in den Phantasiegefühlen Erlebnisse vor sich, die, obwohl sie nicht aufhören, Gefühle (in ausreichend weitem Wort- sinne) zu sein, sich ihrem Charakter nach doch in ähnlicher Weise den Vorstellungen annähern wie etwa jene Denkerlebnisse, die wir heute als „Annahmen" kennen, dann läßt sich sehr wohl verstehen, wie Versuchspersonen, die mit diesen Tatsachen unzureichend vertraut oder wohl gar theoretisch voreingenommen^ sind, das Vorhandensein von Gefühlen rundweg in Abrede stellen können, wo ihnen Erlebnisse entgegentreten, die in der Tat nicht den Gefühlen im altherkömmlichen engen Sinne zuzuzählen sein mögen. Natürlich erhebt sich die Frage, welchen Rechtsgrund wir haben, die Aussagen der Versuchspersonen in dieser Weise zu interpretieren. Die Antwort hierauf kann nur auf die Tatsache hinweisen, daß die Charakteristik eines Wertes als solchen ohne Berufung auf gewisse Erlebnisse unmöglich ist, diese Erlebnisse unvermeidlich Gefühle oder Begehrungen sind, solche emotionale Tat- bestände aber, wie ich ebenfalls bereits an anderem Orte dargetan zu haben^ hoffe, durch andere als selbst wieder emotionale Mittel nicht erfaßt werden können. Damit ist dann freilich zugleich auch behauptet, daß selbst, wenn man nur das „Innewerden" von Werten als Wert- erlebnis wollte gelten lassen, dem emotionalen Typus kein ausschließlich intellektueller Typus an die Seite gesetzt werden dürfte. Was ich so als unberechtigte Intellektualisierung des Wert-, resp. Wertungsgedankens bezeichnen möchte, scheint auch noch eine besonders weite Anwendungs weise des Wortes ,,Wert'* sei es zum Motiv, sei es zur Folge zu haben. Die Weiterführung unserer Hauptuntersuchung wird uns alsbald Gelegenheit geben, auch hierauf mit einigen Erwägungen einzugehen. § 5. Wertgefühle als Seinsgefühle. Sind wir sonach berechtigt, an der emotionalen Natur der Wert- erlebnisse als Tatsache festzuhalten, so muß nunmehr zur Beantwortung der weiteren Frage fortgeschritten werden, ob durch die Charakteristik der Werterlebnisse einerseits als Gefühle andrerseits als Begehrungen auch bereits alles zu ihrer Beschreibung Erforderliche beigebracht ist. Bezüglich der Begehrungen, wie man dieses Wort gewöhnlich zu ver- stehen pflegt, könnte das ganz wohl der Fall sein: erst in der Folge wird darauf zurückgekommen werden können, daß der Begriff der Begehrung eine Erweiterung gestattet, der gegenüber das, was man 1 Zumal das psychologische Experiment nebst vielem Guten gelegentlich auch das Üble zu stiften scheint, daß man sich bei seiner Verwertung aller, auch der guten psychologischen Tradition für überhoben hält. So scheint mir jetzt E. Stern in der wunderlichen Lage zu sein, den erst bereitwillig aufge- gebenen Urteilseredanken speziell für die Bedürfnisse des Wertgebietes wieder- herstellen zu müssen (in der Abhandlung „Zur Frage der ,logischen' Wertung", Archiv t. d. ges. Psychol. Bd. XXXIX, 1920). Daß ihm dies selbstverständlich gelingt, wird indes kaum für eine experimentelle Verifikation der Haeringschen Auf- stellungen gelten können, 2 „Über emotionale Präsentation", S. 26 ff. Mein eng, Zur Grandlegung der aUg. Werttheorie. 4