44 n. Die Werterlebnisse. § 3. Die Wertgefühle. Hanptwerterlebnisse und Nebenwerterlebnisse. 45 I' 3 ^^^ .1 * 1^^ Sk- iß i ' '.ri. Potentialwert ein Paradigma dar für eine bisher noch nicht von uns berücksichtigte Verhaltungsweise gegenüber Werten, den Fällen des Begehrens darin verwandt, daß dabei weder Dasein noch Nichtdasein maßgebend ist, von ihnen aber dadurch unterschieden, daß eben das Begehren fehlt. Kann auch da nicht daran gedacht werden, daß das Subjekt, sofern es überhaupt eine Wertstellung zum Objekt einnimmt, sich bloß intellektuell verhält, so bleibt angesichts der Erfahrung auch hier nur die Berufung auf Phantasiefreude respektive Phantasieleid als das dem Werte gegenüber charakteristische Verhalten übrig, so daß sich das Gefühl, wenn mau neben Ernst- auch Phantasiegefühle einbegreift, allenthalben als Werterlebnis bewährt. Die Analogie dessen, was uns beim Begehren einigermaßen vor die Wahl zwischen Begehrtwerden und Begehrtwerdenkönnen stellte, legt jetzt die Frage nahe, ob es sich, wenn die Ausdrucksweise vorübergehend gestattet ist, um aktuelles Befühltwerden oder nur um ein Befühltwerdenkönnen handeln wird. Auch diesmal wird die Entscheidung zu Gunsten des Potentiellen aus- fallen müssen, will man den Wert nicht an die Flüchtigkeit der Gedanken und Gefühle binden. Dagegen wird eine Beschränkung auf das qualitative Moment hier entbehrlich sein, da den Ernstgefühlen im Bedarfsfalle die Phantasiegefühle zu Hilfe kommen, indes in betreff der Phantasie- begehrungen, so wenig die Gesetzmäßigkeiten ihres Auftretens noch unter- sucht sind, doch schon primitivste Erfahrung außer Zweifel setzt, daß sie offenbar beträchtlich weniger bereitwillig zur Verfügung stehen. Zusammenfassend können wir also jedenfalls das Ergebnis der" bisher durchgeführten Untersuchungen so formulieren: Sind wir vor die Wahl gestellt, ob wir das Gefühl oder die Begehrung als das Werterlebnis betrachten wollen oder eigentlich, ob wir Gefühl oder Begehrung als das Werterlebnis zu betrachten haben, dann kann die Entscheidung nur zu Gunsten des Gefühls ausfallen. Sind wir aber vor die Wahl gestellt? Stehen Gefühl und Begehrung hinsichtlich ihrer Position zum Werte einander wirklich als Glieder einer Disjunktion gegenüber? Maßgebend für die Beantwortung dieser Frage kann wie für alles bisherige, was sich uns zur Feststellung eines natürlidien Wertbegriffes dargeboten hat, wieder nur sein, einmal, was wir uns beim Worte ,Wert* wirklich denken, dann eventuell auch das, was wir uns dabei denken sollen.^ Was nun aber zunächst den ersten Gesichts- punkt anlangt, so liegt es meinem persönlichen Sprachgefühl nach wie vor in der Tat recht fern, bei „Wert" an Begehren zu denken. Aber die Gewähr dafür, daß das bei jedermann ebenso sei, habe ich natürlich nicht, und die Tatsache, daß die Begehrungsansicht vom Wesen des Wertes doch vielfach Anklang gefunden hat, läßt das Gegenteil ver- muten. In betreff des zweiten Gesichtspunktes aber ist für viele Fälle die natürliche Zusammengehörigkeit von Fühlen uud Begehren sowie die Bedeutsamkeit des Begehrens doch nicht in Abrede zu stellen. Es sind uns ja im vorangehenden Beispiele genug dafür begegnet, wie leicht und natürlich sich an Gefühle, namentlich Phantasiegefühle, Begehrungen anschließen. Dabei betätigt sich das Begehren nicht selten als das bei weitem folgereichere der beiden Erlebnisse, was schon in dem Umstände zur Geltung kommt, daß alles Wirtschaften auf Begehren zurückgeht. Die enge Beziehung des Begehrens zum Werte aber zeigt sich schon in dem Umstände, daß die Wertgröße nicht so sehr mit dem einzelnen Gefühle als mit der Motivationskraft der zusammengehörigen Gefühle^ Hand in Hand geht, die Motivation aber, die hier in Betracht kommt, natürlich Sache der Begehrungen ist. In solcher Zusammengehörigkeit wird mit Recht ein Impuls dafür zu sehen sein, im Begriffe des Wertes das Begehren so wenig vom Fühlen zu trennen, als man etwa im Begriffe des Lebens die physische und die psychische Seite trotz ihrer hier um so vigles weitergehenden Verschiedenartigkeit von einander loszulösen pflegt. Auch wird kaum daran zu zweifeln sein, daß, wenn unter sonst gleichen Umständen einmal bloß Gefühl, das andere Mal Gefühl und Begehrung gegeben ist, im letzteren Falle, etwa bei größerer Aktivität des Subjektes, ein Tatbestand gesteigerten Wertes vorliegen wird. Tatsachen dieser Art scheinen mir heute ^ darzutun, daß die Position von Werterlebnissen neben den Gefühlen auch den Begehrungen eingeräumt werden muß. Dieser Position versucht jetzt R. Müller - Freienfels terminologisch Rechnung zu tragen, indem er das Wert- erlebnis in ganz technischer Intention mit dem außertechnisch nicht allzu selten (z. B. auch in den gegenwärtigen Ausführungen ganz unabhängig vom genannten Autor) verwendeten Terminus „Stellungnahme" belegt.^ Ohne Zweifel hat den Autor bei der Wahl dieses Ausdruckes die an sich vollberechtigte Scheu vor einseitigem Schematisieren der psycho- logischen Beschreibung mit bestimmt. Aber Unscharfe der Charakteristik wäre kein geringeres Übel*, und „Stellungnahme" gibt es, wie übrigens auch der Autor kaum übersieht, auch auf rein intellektuellem Gebiete, bei Urteil und Annahme, ohne daß durch solche Stellungnahme für sich allein je ein Werterlebnis ausgemacht würde. Zudem liegt im Sinne des Wortes „Stellungnahme" ja doch jedenfalls eine Metapher, noch dazu eine für Werterlebnfsse unter Umständen viel zu aktiv gefärbte, die zum technischen Ausdruck zu verwenden sonach denn doch schweren Bedenken ausgesetzt bliebe^. Man wird aber eines einheitlichen Ter- minus hier wohl auch ohne Schaden entraten können. Übrigens ist aber die Einbeziehung des Begehrens unter die Wert- erlebnisse nicht so zu verstehen, als ob absolute Parität der beiden 1 Vgl. oben S. 3. 1 Vj^l. „Über Werthaltnng und Wert", Archiv für systematische Philosophie, Bd. I, 1895, S. 327 ff. 2 Im Gegensatze zu dem noch in der zweiten Auflage des Buches „Über Annahmen", S. 326 ff, eingenommenen Standpunkte, vgl. übrigens schon „Für die Psychologie und gegen den Psychologismns usw.", Logos, Bd. III, S. 4. 3 „Grandzüge einer neuen Wertlehre", Annalen der Philosophie, Bd. I, 1919, S. 322 ff., 328 f. u. ö. 4 Vgl. a. a. 0., S. 327, 330. 5 Über die von R. Müller-Freienf eis angesprochene Verdoppelung der „Stellungnahme", vgl. xmten II, § 10.