;*■'•< 40 II. Die Werterlebnisse. § 2. Wert und Begehren. 41 's ' if'fr ;»' [ auch der erstere Schluß nicht wohl ohne Unterstützung durch besondere ErfahruDgen über die Konstanz des da gegebenen Gegenstandes: Klei- düng oder Obdack mag, wer es für heute hat, nicht leicht für morgen begehren, indes man um das tägliche Brot, das man heute hat, in •Zeiten des Mangels gar wohl für morgen begehrend in Sorge sein kann. Kann man sonach weder begehren, was da ist, noch was nicht da ist, so sieht es nun freilich zunächst so aus, als ob man dann überhaupt nicht begehren könnte. Nun hat es sich aber als Vorurteil erwiesen,^ daß zwischen tatsächlichem Sein und tatsächlichem Nichtsein nichts Drittes anzutreffen wäre. Was inmitten liegt, ist das mögliche Sein und wirklich darf man behaupten, hegehrt werden könne nur das, was uns in ausreichend mangelhafter Bestimmtheit entgegentritt, daß sein Sein in den Bereich des Möglichen gehört. Über die Größe der erforderlichen Möglichkeit liegen noch keine Untersuchungen vor: für das Wünschen wird eine höhere als die Nullgienze kaum in Anspruch zu nehmen sein. Wie immer es damit aber auch bewandt sei, hinsichtlich unserer den Wert betreffenden Fragestellung läßt sich nun konstatieren, daß eine Beschränkung auf das Gebiet des Möglichen dem Wert in keiner Weise eigen ist, so wenig, daß durch eine solche Einschränkung^ gerade die sich als auffälligst charakterisierenden Fälle des Wertver- haltens ausgeschlossen wären. Dies wird sofort ersichtlich, wenn man auf die oben vorgeführten paradigmatischen W^ertstellungnahmen zurückblickt. Freut sich unser Musiker über sein Instrument, so tut er es, sofern es existiert; trauert er über dessen Verlust, so handelt es sich um das Instrument, sofern es, wenigstens in seinem Besitz, nicht existiert. Hier also wie dort liegt dem Wertverhalten eine (mindestens eine vermeintliche) Tat- sächlichkeit zugrunde. Nun befindet sich etwa ein armer Geiger zu einem Amati oder Guarneri, von dem er hört oder liest, den er sich auch wohl ganz ohne Bezugnahme auf ein ihm sich darbietendes kon- kretes Exemplar ganz im allgemeinen wünscht, sicher ebenfalls in einem Wertverhältnis. Aber was da von Erlebnissen vorliegt, ist sozu- sagen abgeblaßt genug, daß man vielleicht lieber sagen wird, der betreffende Amati oder auch nur „ein Amati" hätte für den Geiger großen Wert, indes die Wendung, „das Instrument hat für ihn Wert" unter diesen Umständen sich schon deutlich als erweiterte Wortanwendung darstellt. Dagegen hat das tatsächlich existierende Instrument Wert für seinen Besitzer, ohne daß zu irgend einem Vorbehalt Anlaß wäre,, indes das Verhältnis zum verlorenen, insofern tatsächlich nicht existie- renden Instrument die Konstruktion mit „hätte" zwar ebenfalls nahe legt, aber auch der indikativischen Wendung weniger entgegen ist,, sich insofern also als eine Art Mittelfall verrät. Eine Fixierung durch besondere Termini dürfte sich der Klarheit mancher Darlegung förderheb erweisen. Ich will darum dort, wo es sich um den Wert eines tat- sächlich Existierenden handelt, von „Aktualwert" reden im Gegen- VgL „Über Mögüchkeit und Wahrscheinlichkeit". Kap. II. satz zum „Potentialwert" eines bloß Möglichen, weil hinsichtlich der Tatsächlichkeit seines Seins noch Unbestimmten. Bei tatsächlich Nichtseiendem könnte wegen der Verwandtschaft mit dem Aktualwerte von einem „Quasi-Aktualwerte" geredet werden. Diese Ausdrucks- weise vorausgesetzt, läßt sich nun einfach sagen : Wert kann auf poten- tielle Begehrtheit deshalb nicht zurückgeführt werden, weil alle Aktual- werte und Quasi- Aktualwerte außerhalb der Begehrungsschranken stehen, sonach gerade die Fälle ausgeprägtester Wertsiellungnahme der in Rede stehenden theoretischen Auffassung Widerstand leisten. Nun läßt sich aber dem Gedanken der potentiellen Begehrtheit eine Wendung geben, die den Versuch, den Wert durch ihn zu bestimmen, von dem eben aufgedeckten Mangel befreit. Es hat ja einen guten Sinn, ein Ding begehrbar zu nennen um seiner Natur willen, ohne Rücksicht darauf, ob es existiert oder nicht, Sein oder Nichtsein eines Dinges gehört ja, einigermaßen genau genommen, nicht zu dessen Beschaffen- heit. Weil also ein Ding so und so beschaffen ist, deshalb kann man von ihm sagen, es habe die Eignung, beaiehrt zu werden, wie immer es mit seinem tatsächlichen Sein oder Nichtsein bewandt sein mag. Eine solche Begehrbarkeit in Ansehung der natürlichen Beschaffenheit oder Qualität, — im Bedarisfalle könnte man kürzer, obwohl nicht ganz deutlich sagen: die qualitative Begehrbarkeit eines Objektes — könnte nun mit dessen Wert zusammenfallen [% Aber man lühlt sich sogleich versucht, dieser verbesserten Wertdefinition etwas entgegen- zuhalten, was auch schon auf die imverbesserte anwendbar gewesen wäre. Sagt jemand in ihrem Sinne, W^ert habe etwas, weil es begehrt wird oder begehrt werden könnte, so spürt jeder Unbefangene die Unnatur einer solchen Aufstellung, die er dahin zu berichtigen das Bedürfnis haben wird, daß das Ding vielmehr umgekehrt deshalb begehrt werden könne, weil es Wert habe. Der Wert manifestiert sich hierin dem Begehren gegenüber seiner Natur nach als das logisch Frühere. Das ist ein Verhältnis, das der Gefahr, verkannt zu werden, freilich in besonderem Maße ausgesetzt zu sein scheint, so daß man, an der äußerlich ja wirklich so leicht ins Werk zu setzenden Umkehrung keinen Anstoß genommen und das Frühere zum Späteren gemacht hat. Die Gefahr, das zu verkennen, wird in unserem Falle dadurch noch besonders nahegelegt, daß ein auf ein Objekt gerichtetes Begehren diesem in der Tat leicht noch einen neuen Wert erteilen kann. Die Erfüllung eines Begehrens befriedigt, auch sofern das Begehrte, wenn es ohne Begehren einträte, unbefriedigt ließe; auch wird ein durch eine Weile festgehaltenes Begehren dessen Objekt leicht begehrenswerter erscheinen lassen. Das alles aber trägt sich erst zu, wenn bereits begehrt wird; für das Begehren aber kommt in Betracht, daß sein Eintreten an Bedingungen geknüpft ist, ähnlich, wenn ich recht sehe, denjenigen, an die das Auftreten eines Urteils geknüpft ist. Man kann nicht urteilen, wenn nicht ein zu Beurteilendes präsentiert ist, einfachst also, wenn nicht vorgestellt wird. Sollte das eine „logische" Forderung sein, so wird sich dieser wohl auch die Psychologie nicht entziehen