34 II. Die Werterlebnisse. nicht abzuweisen ist, die Natur der Werterlebnisse festzustellen. Ob wirklich nur ein solches Werterlebnis anzutreffen ist oder deren mehrere^ kann natürlich nur genauere Untersuchung entscheiden. f* h IL Die Werterlebnisse- § 1. Paradigmen konkreter Wertstellungnahme. Da es uns, wie gesagt, darum zu tun ist, dem tatsächlich in Anwendung stehenden Wertgedanken möglichst nahe zu bleiben, so empfiehlt es sich, über seine Natur dort Aufklärung zu suchen, wo uns der Wert in deutlichster und darum leichtest erfaßbarer Weise entgegen- zutreten scheint. Das wird natürlich weit eher da der Fall sein, wo wir den Wert in konkreter Ausgestaltung, als wo wir ihn etwa bloß in abstracto erfassen. Kommt es bei der Charakteristik des Wertes auf die Werterlebnisse an, so dürfen wir erwarten, in solchen leicht agnos- zierbaren Wertfällen auch die wesentlichen Werterlebnisse deutlich erkennbar auftreten zu finden. Als paradigmatisch dafür bietet sich natürlichst einer jeuer Fälle dar, wo sich jemand im Besitze eines Objektes befindet, dessen Wert für den Besitzer hoch genug ist, daß dieser über die Tatsache des vorliegenden Wertes sich in keinerlei Unsicherheit befindet. Das Objekt könnte etwa eine Kostbarkeit sein an Gold und Edelsteinen oder sonst ein „Schatz", auch wohl einer, wie ihn die Hausfrau vergangener Zeit in ihrem Leinenschrank zu sammeln und zu hüten bemüht war, oder ein Meisterwerk bildender Kunst, oder eines jener alten Saiteninstrumente, deren Geheimnis immer noch nicht ergründet scheint, deren Besitz aber dem Spieler nicht viel weniger bedeuten mag als dem stimmbegabten Sänger seine Stimme, natürlich aber auch diese Stimme selbst und noch vieles andere. Das einigermaßen sinnlich Wahrnehmbare sei dabei wenigstens für den Anfang bevorzugt, aber nur der Durchsichtigkeit der Sachlage wegen, indes, was aus dieser abzunehmen ist, sich dann auf die Gesamtheit möglicher Wertobjekte ohne weiteres übertragbar erweist. Versuchen wir also, uns das Charakteristische des Verhaltens klar zu machen, vermöge dessen etwa der Musiker auf sein altes Instrument „Wert legt": da wir voraussetzen wollen, daß dies, wie es ja keineswegs selten vorkommt, in völlig bewußter Weise geschieht, so handelt es sich um Feststellung von Erlebnissen, die durchaus in der Sphäre des durch Selbstwahrnehmen Kontrollierbaren liegen. Ob der Besitzer dabei ausdrücklich über den fraglichen Wert urteilt, ist von nebensächlichem Belang; dagegen wird er das „Wertlegen ** nicht voll- ziehen können, ohne an das Wertobjekt zu denken, es also seinem Dasein und seiner Beschaffenheit nach intellektuell zu erfassen. Dieses Erfassen allein aber ist jenes Wertlegen ^ jedenfalls noch nicht; kann 1 Ich gestatte mir hier vorübergehend die Anwendung dieses offenbar unzureichenden Ausdnickes, an dessen Stelle sogleich nnten em leichter anzu- wendender treten soll. § 1. Paradigmen konkreter Wertstellungnahme. 35 man glauben, daß, was noch hinzukommt, ebenfalls innerhalb der Sphäre des Intellektuellen liegt? Durchmustern wir dieses Gebiet auch noch so genau, wir können nichts darin antreffen, was dem Gegensatz des Wert- vollen zum Unwertvollen, oder auch dem des gleichviel in welchem Sinne Wertvollen zum Wertlosen, das heißt Wertindifferenten zur Grund- lage dienen könnte. Intellektuell erfaßbar freilich sind in gewisser Weise sicher auch diese Gegensätze sowie, cum grano salis wenigstens, am Ende alles. Hier aber geht die Frage dahin, ob, um Werttatbestände intellektuell erfassen zu können, überhaupt anderes als Intellektuelles nicht erlebt zu werden, respektive erlebt worden zu sein braucht, in der Weise etwa, wie man, um Physisches zu erfassen, eben nur die gegen- ständlich auf Physisches gerichteten intellektuellen Erfassungsmittel, zuletzt also die Empfindungen, erlebt. Daß auf die so gestellte Frage mit Nein geantwortet werden muß, darüber ist heute wohl nahezu alle Werttheorie in erfreulichster Weise einig: nicht leicht zweifelt jemand daran, ^ daß wir, um mit dem Werte sozusagen in Fühlung gelangen zu können, auch etwas Außerintellektuelles, also etwas im weitesten Sinne des Wortes Emotionales^ erleben müssen. Da aber das intellektuelle Erleben ■ dem Wertindifferenten gegenüber augenscheinlich dieselbe Stellung hat, wie , dem inbetreff des Wertes Charakterisierten gegenüber, so darf behauptet werden, daß, was dem Werte eng genug zugeordnet ist, um als Wert- erlebnis bezeichnet werden zu dürfen, ganz wesentlich emotionaler Natur sein muß. Darf diese emotionale Natur unbedenklich sämtlichen Werterleb- nissen ohne Ausnahme nachgesagt werden, so mag es ratsam sein, sich vorerst nur auf Fälle von der Beschaffenheit der erwähnten Paradigmen zu beschränken, wenn man konstatiert, daß die beim Verhalten zu diesen sich einstellenden Emotionen jedenfalls Gefühle sind. Wenn der Musiker sein Instrument nicht nur in der Weise erfaßt, wie das gleichgültigste Ding von der Welt, dann erlebt er eben etwas, vermöge dessen es ihm „wert ist", er erlebt Freude daran und Freude, welcher Determinationen und Komplikationen sie auch fähig sein mag, ist zuletzt eben ein Gefühl, das sich der Tatsache zuwendet nicht nur, daß das Instrument existiert, sondern speziell der Tatsache, daß es als sein Instrument existiert, daß es in seinem Eigentum oder etwa wenigstens in seinem Besitze ist. Auf den Wert seines Instrumentes mag er etwa auch noch durch den Gedanken bedachtnehmen, wie es wohl wäre, wenn er das Instrument nicht im Besitze hätte: auch auf diesen Gedanken reagiert er dann mit 1 Eine Ausnahme macht vielleicht W. Strich („Das Wertproblem in der Philosophie der Gegenwart", Leipziger Dissertation, Berlin 1909, S. 27), der in semem, wie ich heute glaube (vgl. unten IV), ganz berechtigten Bemühen, dem Werte eine unsubjektive Seite abzugewinnen, den emotionalen Anteil am Gedanken der „Bedeutung*' zu niedrig angeschlagen haben dürfte. Über Th. Hae rings Bedenken („Untersuchungen zur Psychologie der Wertung'*, Arch. f. d. ges. Psychologie. Bd. XXVII. 1912, S. 70), vgl. unten II, § 4. 2 In so weitem Sinne, wie das Wort etwa in meiner Abhandlung „über emotionale Präsentation" gebraucht ist, vgl. Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, philos.-hist. Kl., Bd. CLXXXIII, 1917. 3» \ Hki 41 -.yf&.^>iA