3 ' ir 28 I. Vonmtersuchnngen. 'tl •^ 't 1« I».. denen doch niemand nachfragt. Der erste, beste Grashalm auf der Wiese, ja ein Staubklümpchen in einer Fußbodenritze ist, ausreichend genau genommen, sicher das Einzige seiner Art und darum schlecht- hin unersetzlich; aber niemand denkt daran, diesen Dingen darum irgend Wert beizulegen. Man ersieht daraus, daß Seltenheit und selbst Unersetzlichkeit für sich allein den Wert niemals ausmachen können, obwohl sie ihn ohne Zweifel sehr erheblich mitbestimmen, wenn er anderswie bereits begründet ist. Das kommt auch in der Weise dieser Mitbestimmung unverkennbar zutage, sofern diese nur in Wertherab- setzung besteht, nämlich Herabsetzung jenes Wertes, der dem betreffenden Objekte im Falle seiner Einzigkeit und Unersetzbarkeit zukäme: Steigerung der Seltenheit und daher der all fälligen zum Ersatz führenden Opfer bedeutet niemals eine eigentliche Steigerung des Wertes, sondern nur den Übergang zu einem geringeren Grade von Wertherabsetzung. Jedenfalls darf man also behaupten: Kosten und Mühe, die mit der neuerlichen Herstellung einer Sache im VerlUvStfalle etwa verbunden sein würden, sind nur dann geeignet, auf den W^rt der Sache Einfluß zu nehmen, wenn diese Sache schon ohne Rücksicht auf die Opfer Wert hat. Wer also den Opfern die Fähigkeit zuspricht, den Wert zu konstituieren, setzt dabei bereits Wert als vorgegeben voraus, und hierin liegt der erste Zirkel. Aber noch ein zweites Mal ist in einer derartigen Konzeption der Wert bereits als gegeben vorausgesetzt, und zwar wahrscheinlich nicht nur bei Heranziehung der bevorstehenden, sondern auch bei der der gebrachten Opfer, nur im ersteren Falle in besonders augenfälliger Weise. Warum ist es uns einigermaßen verständlich, daß uns an der Existenz eines Dinges um so mehr liegt, je mehr Kosten und Mühe wir im Nichtexistenzfalle auf uns nehmen müßten? Doch wohl nur darum, weil Kosten und Mühe uns lästig, also eben darum, weil es Opfer sind.^ Ein Opfer aber ist seinem Wesen nach genau das Gegenteil dessen, was wir als wertvoll zu bezeichnen pflegen, das heißt, es hat seinem Begriffe nach Wert mit negativem Vorzeichen, insofern also auch Wert.- Opfer können also schon deshalb den Wert nicht konstituieren, weil sie selbst Wert, allerdings negativen Wert haben müssen, um Opfer zu sein. Dem durchaus negativen Ergebnisse gegenüber, das sonach die kritische Diskussion des Grundgedankens der Opferwerttheorie^ zutage /| ^ Es ist, immerhin zunächst vom Standpunkte der Ethik und Politik, beachtenswert, daß diese Voraussetzung gar falsch sein kann. Zwar hätte, wer den Dichterworten den Satz nachbildete „Arbeit ist die größte Plage, Reichtum ist das höchste Gut", einer Meinung Ausdruck gegeben, die auch heute noch für größte poütische Parteien axiomatische Selbstverständlichkeit hat. Mit der „Würde der Arbeit"' aber steht ein solches Axiom in kaum zu lösendem TViderstreit 2 Vgi. auch Wieser a. a. 0. S. 99 ff., 110 f. 3 Eine mehr ins einzelne eingehende Würdigung namentlich der ökono- mischen Seite dieser Theorie vgl. insbesondere Wieser a. a. 0. S. 97 ff. sowie desselben Autors „Der natürliche Wert", S. 64 ff. § 4. Wert und Opfer, Kosten, respektive Arbeit 29 4 gefördert hat, erübrigt uns nur noch, einen Blick auf die Tatsachen zurückzuwerfen, die fürs erste eine Art günstigen Vorurteils für diese Theorie zu begründen geeignet schienen. Ein Punkt, die Verschieden- heit der Wertstellung zum Erarbeiteten und sonst durch Opfer Erwor- benen gegenüber der zum mühe- und kostenlos Gewonnenen, wurde schon berührt : der ohne Zweifel oft anzutreffende Unterschied ist doch viel zu unbeträchtlich, um die Opfertheorie zu stützen. Jene Hand- arbeiten aber, bei denen die aufgewandte Mühe den Wert entscheiden mag, erkennt man leicht als eine ganz eigenartige Komplikation, aus der sich eben darum eine Folgerung zu Gunsten der Theorie im all- gemeinen keineswegs ableiten läßt: was hier eigentlich Wert hat, ist die Zuneigung des Gebers, die sich einigermaßen nach der Mühe schätzen lassen mag, die sie zu überwinden imstande ist, wenn es gilt, den zu Beschenkenden zu erfreuen. Dagegen bietet der Gesichtspunkt der Seltenheit uud ihrer Be- deutung für den Wert sicher ein Moment von ausreichend großer All- gemeinheit dar; aber wir haben bereits gesehen, wie wenig sie allein einen Wert zu konstituieren vermöchte. Außerdem hat sie, solange man die vergangenen Opfer in Betracht zieht, mit der uns beschäftigenden Theorie überhaupt nichts zu tun: eine ganz einzige und dalier uner- setzliche Reliquie ist vielleicht gar kein Produkt menschlicher Arbeit, oder hat, man denke etwa an einen Brief, keine nennenswerte Mühe in Anspruch genommen. Was aber künftige Opfer anlangt, so ist an deren oft recht bedeutsamer Verbindung mit der Ersetzbarkeit natürlich nicht zu zweifeln. Es verdient aber noch nachgetragen zu werden, daß auch hier im stärksten und wie man darum glauben dürfte, im deutlichsten Falle die Verbindung mit den Opfern, die unsere Theorie nötig hat, wieder unterbrochen ist. Ein nicht bloß schwer, sondern schlechthin gar nicht zu Ersetzendes^ hat dem noch irgendwie Ersetzbaren . gegenüber unter gleich günstigen Umständen den höheren Wert. Wo aber wären die Opfer, die den Wert hier ausmachen? Weil es keinen Ersatz gibt, so gibt es ja auch kein Opfer, das diesem Ersatz gebracht würde : folgerichtig müßte solch ein Ding also wieder wertlos sein. Zu allem Überfluß könnte man hier auch noch mit genau entgegengesetztem Ergebnis argumentieren. Bedeutet Schwerersetzbarkeit die Eventualität großer, dem Ersätze zu bringender Opfer, so Unersetzbarkeit die Even- tualität unendlich großer Opfer, daher nicht etwa Nullwert, sondern unendlich großen Wert, was der Erfahrung nicht minder widerspricht als der Nullwert. Um so deutlicher verifiziert diese, was schon oben^ als der mehr negative, genauer der verhindernde Anteil des Momentes der Ersetzbarkeit am Wert gekennzeichnet worden ist. Die geringe Ersetzbarkeit begründet, in welchem Grade immer sie vorliegen mag, niemals einen Wert, und die des Ersatzes halber drohenden Opfer tun es sozusagen noch weniger: die für den Fall der Unersetzbarkeit auf- 1 Man denke z.B. an Ricardo's „Seltenheiten". 2 Vgl. S. 28.