26 I. Voruntersuchungen. Eindruck sogleich entscheidend bestimmen zu lassen. Wir wollen also einen etwas näheren Einblick zu gewinnen versuchen. Es empfiehlt sich zu diesem Ende, darauf aufmerksam zu sein, daß die Opf]er zu dem- jenigen, dem sie im Sinne der uns beschäftigenden Auffassung Wert verleihen, sich in zweierlei Stellung befinden können. Entweder es handelt sich dabei um Opfer, die zur Herstellung, respektive Herbei- schaffung des fraglichen Objektes bereits haben gebracht werden müssen, oder um Opfer, die zur Erhaltung oder etwa im Verlustfalle zum Zwecke der neuerlichen Verwirklichung des Objektes erst zu bringen wären. Wir können die beiden Fälle als den der bereits gebrachten und den der erst bevorstehenden Opfer auseinander halten und jeden Fall besonders erwägen. Beginnen wir mit den vergangenen Opfern. Man hätte sich also etwa zu denken, daß durch Arbeit, die an einem Gegenstande ver- richtet wird, sich eine Art Aufspeicherung von Wert in diesem Gegen- stande vollzieht. Wirklich geschieht es ja zuweilen, wie oben schon / erwähnt, daß uns eine Sache darum wert wird, weil wir so viel Mühe auf sie haben wenden müssen.^ Aber diese Analogie könnte höchstens dann der Hauptthese zu statten kommen, wenn diese auf die Voraus- setzung gebaut wäre, derjenige, der das Opfer bringt und derjenige, für den dadurch der Wert entsteht, müsse jedesmal eine und dieselbe Person sein. Daran ist aber gar nicht zu denken; denn unter dieser Voraussetzung dürfte ja Geschenktes, Ererbtes, Gefundenes, kurz irgend- wie mühelos Gewonnenes auch nicht den geringsten Wert haben, was der Erfahrung auf das Offenkundigste widerspricht, mag übrigens ceteris paribus das Erworbene gegenüber dem überkommenen Besitz in Betreff der ihm zuteil werdenden Schätzung auch noch so sehr im Vorteile sein. Und wenn insbesondere die theoretischen wie die agitatorisch praktischen Verfechter der Arbeitswerttheorie das Kapital immer wieder als vorgetane Arbeit, als „Arbeitskristall" u. dgl. in Anspruch nehmen,- so ist dabei sicher nicht an die Beschränkung auf ein einziges Subjekt gedacht. Sieht man daraufliin von der Einschränkung ab, die in der Vor- aussetzung der Identität des opfernden Subjektes mit dem Wertsubjekte liegen müßte, so kann man immerhin fürs erste die auf die Erzeugung des betreffenden Wertobjektes aufgewendete Arbeit, respektive die Her- stellungskosten als empirische Instanz zugunsten der vorhergehenden Opfer in Anspruch zu nehmen versuchen. Gleichwohl ist nichts leichter, als die These von den vorhergebrachten Opfern, wenn man sie sogleich in ihrer Allgemeinheit in Betracht zieht, ad absurdum zu führen. Ihr zufolge gäbe es ja streng genommen keine überfiüssige oder in diesem Sinne vergebliche Arbeit: auch wenn ein Träger seine Last recht oft ziel- los hin- und hertrüge, müßte daraus eine Wertsteigerung des Getragenen resultieren. Wer recht Wertvolles besitzen wollte, brauchte weiter nichts, 1 Wieser, Ursprung und flauptgesetze, S. 104. 2 A. a. 0. S. 113. § 4. Wert und Opfer, Kosten, respektive Arbeit. 27 als recht teuer einzukaufen, indes die Praxis jedesmal, wo zwischen gleich leistungsfähigen Dingen, die gleichwohl verschieden im Preise stehen, zu wählen ist, unbedenklich das wohlfeilere vorzieht und diesem hiedurch den größeren Wert zuerkennt. Derlei mehr praktischen Konsequenzen stehen aber auch noch theoretische zur Seite, die besonders deutlich erkennen lassen, wie fern doch die Opfertheorie in der uns beschäftigenden Deutung bereits den lebendigen Werttatsachen steht. Nichts ist an diesen auch schon einer oberflächlichen Beobachtung so auffällig wie ihre Veränderlichkeit im Zusammenhange mit oft ganz zufälligen, das heißt dem Wertobjekte äußerlichen Umständen; was aber an Kosten oder Arbeit in einem Dinge gleichsam beschlossen liegt, das ist daran so unveränderlich, wie irgend sonst ein Stück seiner Vergangenheit; der Wert eines Dinges haftete nach der Opfertheorie diesem an als ein character indelebilis. Und so weit geht die Entfremdung von den Tat- sachen, daß der in Rede stehenden Auffassung, falls man nur die zu- vor erwähnte Ausschließung jedes anderen Subjektes als des an der Arbeit beteiligten außer Betracht läßt, geradezu das so grundlegend charakteristische Moment der Persönlichkeit des Wertes verlorengegangen wäre. Seine Vergangenheit hat ein Ding nicht mehr „für" dieses als für jenes Subjekt; was in diesem Sinne Wert hat, scheint ihn für jedermann gleich sehr haben zu müssen, mit anderen Worten: ein durch vergangene Opfer konstituierter Wert wäre kein persönlicher Wert mehr. Versuchen wir also, ob sich die Dinge günstiger gestalten, wenn wir statt der vergangenen die künftigen Opfer in Rechnung ziehen. Fürs erste hat man das Gefühl^ daß die Position durch den Übergang auf das Bevorstehende an innerer Vernünftigkeit gewinnt: denn daß man ceteris paribus auf dasjenige mehr Wert legen wird, das im Ver- lustfalle schwerer zu ersetzen wäre, das klingt ja im Grunde ganz plausibel. Aber sieht man etwas näher zu, so erkennt man bald genug, um welchen Preis dieser Schein von Vernünftigkeit erkauft ist: was man damit auf sich nimmt, ist ein fehlerhafter Zirkel oder vielmehr, es sind deren zwei. Zunächst drängt sich hier besonders deutlich ein Moment der Beachtung auf, dessen oben im allgemeinen bereits gedacht worden ist: sollte der Wert durch die unter Umständen zu gewärtigenden Opfer wirklich erst ausgemacht werden? Sollte die Tatsache, daß etwas im Verlustfalle schwer zu ersetzen wäre oder auch, daß es zu seiner Erhaltung erhebliche Kosten oder Arbeit erfordert, wirklich für sich allein einem Dinge besonderen Wert verleihen? Die Praxis urteilt jeden- falls anders. Niemand wird, wenn er sich eine Schreibmaschine an- schaffen will, ein System wählen, bei dem allfällige Reparaturen mit besonders großen Schwierigkeiten verbunden wären. Und niemand wird, wenn er zur Ausübung seines Berufes sich entweder auf ein Reitpferd oder auf ein Zweirad angewiesen findet, das letztere deshalb nicht wählen, weil es weder Futter noch Wartung braucht. Aber weiter, und damit kommen wir eigentlich erst auf das handgreiflichst Entscheidende : es gibt viele Dinge, die schwer oder gar nicht ersetzbar sind, und $