20 I. VornntersnchTiiigen. § 3. Wert und Nützlichkeit. 21 wenn er zum ersten iMale gewahr wird, daß Wert und Nützlichkeit doch sehr wohl auseinandergehen, daß insbesondere etwas sehr nütz- lich sein und doch allen Wertes entbehren kann. Hier hat, was bereits oben unter dem Gesichtspunkte des Bedürfnisses vorübergehend zu berühren war, seinen eigentlichen Ort: das individuelle Quantum Wasser, das eben meinen Durst löscht, das individuelle Quantum Luft, das, in- dem ich es einatme, meine Lebensfunktiouen im Flusse erhält, ist mir in dieser Weise sicher ganz ausnehmend nützlich, dennoch wird unter normalen Umständen dem einen so wenig als dem anderen auch nur der geringste Wert beigemessen. Auch darüber, daß Eisen nützlicher als Gold, Gold aber wertvoller als Eisen ist, besteht nicht leicht Un- sicherheit; und auch weiter ließen sich die Beispiele häufen, um deren willen die zuerst so plausible These vom Zusammengehen, wo nicht von der Identität von Wert und Nützlichkeit, mindestens solange diese einer näheren Bestimmung entbehrt, nun längst allgemein aufgegeben ist. in der Geschichte der älteren Nationalökonomie macht sich das Fehlschlagen einer anscheinend so natürlichen Betrachtungsweise ohne Zweifel als einer der Hauptfaktoren geltend, die einer viel weniger natürlichen Aufstellung, auf die ich im nächsten Paragraphen zurück- komme, zu ganz unverdientem Beifalle verhelfen haben. Inzwischen ist es der 'nationalökonomischen Forschung der letzten Jahrzehnte gelungen, dem Nützlichkeitsgedanken eine Wendung zu geben, durch die gerade das entfällt, um deswillen er vorher für die Charakteristik des Wertes unbrauchbar gemacht schien. Im Hinblick hierauf ist hier also auf das Verhältnis von Nützlichkeit und Wert ausdrücklich einzugehen und vor- erst etwas ganz Vorläufiges darüber festzulegen, was mit dem Worte „Nützlichkeit" eigentlich gesagt sein will. Aufschluß hierüber bieten tausend Erfahrungen des täglichen Lebens. Ein Messer nützt mir, indem ich damit schneide, ein Mikro- skop, indem ich damit beobachte und so fort. Faßt mau das Gemein- same in dem hier außerordentlich Verschiedenen zusammen, so läßt sich sagen: Was nützt, ist insofern Ursache, genauer Teilursache, Bedin- gung von etwas, das man eben den Nutzen nennt. Nützen heißt also soviel, als einen Nutzen realisieren helfen, — eine schon dem Wort- laute nach nicht viel mehr als tautologische Aufstellung. Daneben kann Nützen immerhin auch in einer anderen Kausation bestehen, in einem Verhindern nämlich, wenn das zu Verhindernde ein Schaden ist. Daß so in den Gedanken des Nutzens etwas wie eine Zwiespältigkeit hineinkommt, braucht uns im gegenwärtigen Zusammenhange nicht zu stören. — Daß in analoger Weise der Gedanke der Schädlichkeit auf das Schaden zurückzuführen, dieses aber durch Bezugnahme auf den Schaden zu bestimmen ist, bedarf weiter keiner Ausführung. Diese freilich noch sehr bescheidene Präzisierung des Nützlichkeits- gedankens eröffnet nun insofern einige Aussicht, ihn nun doch der Bestimmung des Wertes zugute kommen zu lassen, als es möglich ist, jene alten Paradoxien über das Auseinanderfallen oder gar die Gegensätzlichkeit von Nützlichkeit und Wert mit leichter Mühe zu be- seitigen. Fanden wir eben dasjenige nützüch, was als wie immer geartete Teilursache eines Nutzens auftritt oder auftreten kann, so braucht man nun einem solchen Nützlichen nur in dem Maße Wert zuzusprechen, als die Realisierung des Nutzens gerade an diesem Dmge und keinem anderen als an seiner Bedingung hängt. Tut man dies, so ist leicht zu erkennen, wie die in Rede stehenden Unzukömmlichkeiten entfallen. Das Wasser, das ich trinke, die Luft, die ich einatme, bringen mir in ihrer Weise großen, eventuell vitalen Nutzen; man könnte aber nicht sagen, daß dieser Nutzen gerade an ihnen hängt, derart, daß, wenn sie nicht da wären, auch der Nutzen nicht verwirklicht würde. Hätte ich das Wasser im Becher ausgeschüttet, statt getrunken, dann hätte ich mir eben unter gewöhnlichen Umständen ein anderes Wasser aus der Quelle oder dem Brunnen geschöpft, und nur wenn dies ver- möge Wassermangels ausgeschlossen gewesen wäre, hätte die Stillung meines Durstes an dem Wasser im Becher gehangen, dann aber wäre auch der W^ert des Wassers ein seinem Nutzen entsprechender gewesen. Ähnlich wird es mit Eisen und Gold stehen. Es sind ohne Zweifel sehr wichtige Leistungen, bei denen ich des Eisens nicht entraten kann, aber das kommt dem Werte dieses oder jenes Stückes Eisen wenig zu statten, weil, wenn mir das eine Stück abhanden kommt, leicht genug ein zweites an Stelle des ersten in Verwendung genommen werden kann. Die Leistungen des Goldes mögen dagegen an sich keinen gleich großen Nutzen repräsentieren wie die des Eisens, aber der Ersatz eines fehlenden Stückes durch ein anderes ist hier um so vieles weniger leicht, daß man sehr wohl begreifen kann, wie, wenn es sich um die Größe des von diesem Stücke abhängigen Nutzens handelt, sich das gegebene Gold dem gegebenen Eisen überlegen zeigt. Bestimmt sich also der Wert auch nicht nach dem Nutzen kurzweg, so könnte er sich doch ganz wohl nach einer Art Determination des Nutzens, man möchte vielleicht sagen dem abhängigen Nutzen,^ bestimmen. Stellt man, etwa nur zum Zwecke vorübergehender Verständigung, im Hinblicke hierauf der Nützlichkeit kurz die „abhängige« Nützlichkeit gegenüber, so kann man einfach sagen: Wert ist zwar nicht Nützlichkeit kurzweg, wohl aber diese „abhängige" Nützlichkeit. Darf man nun aber auch wirklich darauf rechnen, daß jeder Wert- fall sich dieser abgeänderten Charakteristik fügt? Man kann mit Recht auf eine Rose Wert legen um ihres Aussehens oder um ihres Duftes willen. Aber worin besteht hier eigentlich der Nutzen, den sie stiften und der eventuell auch von ihr abhängen kann? Das, wozu mir die Rose hier verhilft, ist ein Gefühl von Befriedigung, ein Lustgefühl im weiten psychologischen Sinne; das aber nennt niemand einen Nutzen. Darum sagt man auch ganz natürlich von der Rose, sie sei mir angenehm, nicht aber, sie sei nützlich ; und ganz im allgemeinen läßt das natürliche 1 Es ist im Grunde natürlich kern anderer Gedanke als der, von dem die moderne Nationalökonomie unter dem Namen des Grenznutzens so umfassende Anwendung macht. Vgl. auch meine Ausführungen „über W erthaltung und Wert , Archiv f. systemat. Philos., 1895, Bd. I, S. 333 ff.