VI 18 I. Voruntersuchungeii. § 3. Wert und Nützlichkeit. 19 ui i gegenstände werden zu lassen, man redet da bekanntlich mcht selten von Verwöhnung«, kann nichts daran ändern, daß, ^e die Gewöhnung sich "in dieser Weise betätigt hat, Güter vorlagen, die als solche Wert- gegenstände, keineswegs aber zugleich Bedürfnisgegenstände waren. Besonders zugängliche Beispiele, für die nur das Wort „Luxus kaum mehr gut genug wäre, bieten Kunstgegenstände, die unbeschadet all- fälliger Beziehungen zu unserer obigen fünften Gruppe' ganz wohl, wie schon berührt, auch hinsichtlich persönlichen Wertes in Anspruch genom- men werden dürfen. Auf den Besitz eines Original-Böcklin würde ich sicher hohen Wert legen: ich erlebe aber nichts, was ich dahin deuten konnte daß ich ein Bedürfnis habe, das durch solchen Besitz befriedigt wurde. Gibt es sonach Wert ohne Bedürfnis, so mag dies die trage nahelegen ob nicht vielleicht auch Bedürfnis ohne Wert auftreten kann, und es fehlt nicht an Erfahrungen, die solches glaublich erscheinen lassen möchten. Man hat ja ohne Zweifel Bedürfnis nach Luft und Wasser- dennoch gehören unter ausreichend günstigen Umstanden so- wohl Luft als Wasser zu jenen , freien Gütern«, von denen rnan sagt daß sie keinen Wert haben. Immerhin ist hier indes die Sachlage doch um einiges komplizierter. Dasjenige, dem da mit Recht Wert abge- sprochen wird, ist ja das konkrete Quantum Luft oder Wasser, das eben zum Atmen oder Löschen des Durstes dient. Man kann aber auch nicht behaupten, daß gerade nach diesem konkreten Quantum ein Be- dürfnis vorliegt, so daß hier der Mangel an Wert doch wieder mit dem Mangel an Bedürfnis Hand in Hand geht, fis erwächst daraus nun freilich eine gewisse Schwierigkeit, sich genauer davon Rechenschaft zu geben, wonach man denn unter solchen Umständen das ja zweifellos vorliegende Bedürfnis habe. Man antwortet wohl einfachst: nach Luft überhaupt^ nach Wasser „überhaupt", womit nur dann nicht etwa der unvollständige Gegenstand' Luft, respektive Wasser als solcher, das heißt in seiner UnvoUständigkeit verstanden sein darf, da sich das Bedürfnis doch auf ganz konkrete Luft, respektive ganz konkretes Wasser bezieht und nur durch den Wechsel der konkreten Bestimmun- een also durch den Ersatz des einen Quantums durch ein anderes in ^elen Hinsichten nicht betroffen ist. Nun gilt aber, näher besehen, das eben vom Bedürfnis Ausgeführte ganz ebenso vom Werte, was allerdings die namentlich von der ökonomischen Wertbetrachtung meist unberücksichtigt gelassene Konsequenz mit sich führt daß auch die freien Güter« nicht in jedem Sinne wertlos sind. In der Tat scheint lieh gegen die Eventualität eines Bedürfnisses nach etwas, das keinen Wert hat, eine ganz unmittelbare Evidenz geltend zu machen, indes der Möglichkeit eines Wertes ohne Bedürfnis keinerlei vorgangiges Bedenken im Wege steht. 2 Andere'hiLrgehörige Beispiele bringen die .Psycho!, eth. Untere, z. ^"'^^^aX'r fen^Begriff des nnvoUständigen Gegenstandes vgl. .Über MSglich- keit und Wahrscheinlichkeit' S. 181 f. Natürlich genügt das aber auch vollauf, eine Rückführung des Wertgedankens auf den Bedürfnisgedanken auszuschließen. Man könnte nur noch etwa versuchen, das Reduktionshindernis durch Modifikation des Bedürfnisgedankens zu beseitigen. Es führt ja in der Tat kein allzu großer Schritt vom Leid der Abwesenheit zur Freude an der Anwesen- heit. Faßt man den Sinn des Wortes „Bedürfnis" so weit, daß neben Fällen der ersteren auch Fälle der letzteren Art darunter zu subsu- mieren sind, dann dürfte in der Tat, wie der Fortgang dieser Unter- suchungen dartun wird,^ gegen das Zusammengehen von Bedürfnis uud Wert kaum mehr Erhebliches beizubringen sein. Nur hat dann der Bedürfnisgedanke sein eigentlich charakteristisches Moment, das für mein Sprachgefühl wenigstens von jenem „Abgehen* des Mangelnden • nicht zu trennen ist, ganz und gar verloren. „Bedürfnis" ist dann kaum mehr als ein Name für sozusagen eine andere Seite eben jenes Tatbestandes, den wir „Wert" nennen, — noch dazu ein Name, für den, wie noch zu berühren sein wird,^ etwa „Interesse" eine viel natür- lichere Bezeichnung abgeben dürfte. Selbstverständlich ist aber dieser letzte Umstand für eine Untersuchung, der es nicht um die Worte, sondern um die Sache zu tun ist, von geringem Belang; um so wich- tiger ist, daß wenn man „Bedürfnis" in dieser Weise bestimmt und daraufhin den Wert durch Berufung auf das „Bedürfnis" charakterisiert, man im wesentlichsten Punkte doch nur ein Wort durch ein anderes in der Hauptsache gleichbedeutendes ersetzt hätte, womit einer theore- tischen Erfassung der zu untersuchenden Tatsachen wenig gedient wäre. Belassen wir also dem Worte „Bedürfnis" seine natürliche Be- deutung, so mag um so nachdrücklicher der Umstand Berücksichtigung verlangen, daß es ja nun doch noch einen Gedanken gibt, dem jene Einschränkung auf die Fälle des Mangels gar nicht wesentlich ist, und den man denn auch wirklich mit dem Werte stets in engste Verbin- dung gebracht hat. Es ist der Gedanke der Nützlichkeit, dem darum in diesem Zusammenhange ebenfalls einige Erwägungen gewidmet sein müssen. § 3. Wert und Nützlichkeit. Auf den ersten Blick läßt sich die Behauptung: „Wert hat ein Ding, sofern es nützlich ist" wie etwas ganz Selbstverständliches an, am Ende gar wie eine Tautologie. Abfälle an Papier, Holz, Eisen oder Stein gelten für wertlos, sobald sie zu nichts mehr nütze sind; dagegen ist der Kompaß dem Schiffer, das Mikroskop dem Physiologen oder Histologen wertvoll um des Nutzens willen, den ihm das Instru- ment gewährt. Die empirischen Belege sind hier also mit größter Leich- tigkeit beigebracht; aber man hat gar kein Bedürfnis nach ihnen, so selbstverständlich scheint die Sache. Um so deutlicher hatte es und hat es auch heute noch für jedermann den Charakter des Paradoxons, 1 Vgl. unten III, § 2. 2 Vgl. unten III, § 2. 2*