16 I. Vonmtersnchnngen. § 2. Wert und Bedürfnis. 17 Im FaUe des Wissens um den Mangel liegt es nahe, das Man- gelnde herbeizuwünschen, zu begehren, zu erstreben: man hat deshalb auch das Begehren, wohl gar speziell das Wollen für allem Bedürfnis wesentlich gehalten, sogar das Bedürfnis selbst als Wünschen respeküve Wollen definiert.' Letzteres dürfte schon sprachlich nicht angehen, sollte selbst das Wollen dem Bedürfnisse wesentlich sein, so ist dieses doch nicht selbst ein Wollen, sondern die Tatsache, daß etwa ein Objekt mangelt, das daraufhin begehrt wird oder dergleichen.^ Aber ich =!weitte daß man auch nur das Vorhandensein eines Begehrens für )eden Fall selbst eines ganz oder vollständig erlebten Bedürfnisses anders als ex deflnitione in Anspruch nehmen könnte und daß die oben an zweiter Stelle erwähnten Fälle sozusagen teilweisen Erlebens wieder anders als ex deflnitione aus dem Bereiche des Bedürfnisses auszuschließen waren. Eine hiezu geeignete Definition aber zu dekretieren,» damit wäre unserer Einsicht in die Einschlägigen Tatsachen kaum in irgend einer Hinsicht wirklich gedient.* Dagegen möchte es, wenigstens für unsere gegen- wärtigen Zwecke ausreichen, den Tatbestand des Bedürfnisses soweit es erlebbar ist. durch den Hinweis darauf zu charakterisieren daß mi ein solches nach dem haben, was uns abgeht, wenn es nicht da ist In diese Kennzeichnung ist nicht nur neben dem .effektiven auch das „latente«,' sondern sogar neben dem unbefriedigten auch das befriedigte Bedürfnis einbezogen. . r, . • „„-„., Vr- Weil aber dieses „Abgehen" eben stets eine Sache inneren Er- lebens bleibt, die sich nie ohne Künstlichkeiten, oft aber auch wie wir oben gesehen haben, überhaupt nicht durch Hinweis auf Selbst- oder Arterhaltung ersetzen läßt, so ergibt sich auch bereits aus dieser bei- läufigen Charakteristik des Bedürfnisses, daß, sofern diese Charakteristik durch eine sozusagen erlebnisfreie nicht zu ersetzen ist, auch nicht von anderen als erlebbaren Bedürfnissen geredet werden kann. Was wir an sprachlichen Gegeninstanzen vorgefunden haben, wird dann auch dem Verständnis keine erheblichen Schwierigkeiten bereiten. Die Bedurfnisse der Tiere vor allem stehen der obigen Bestimmung überhaupt nicht als QegenfäUe gegenüber: unser so außerordentlich unvollkommenes tierpsychologisches Wissen bietet mindestens, soviel ich sehe, keinen Grund, die Tiere in dieser Sache prinzipiell anders zu behandeki als . die Menschen. Auch den Pflanzen in einer irgendwie ähnlichen Weise Bedürfnisse zuzutrauen, wird man heute um so weniger von der Hand 1 n ifrans Das Bedürfnis'. Leipzig 1894, S. 7, 48. . „ , '2 BkSht: was Vielleicht im Hinblick auf die nnten zn treffenden ^Bestimmungen nicht ohne Interesse ist nnd daher hier vorgreifend berührt sei, ^^^'^'fy^r^ifvlrsncht zn zeigen, ,daß der Nationalökonom nicht minder als der Psychologe nnter Bedürfnis^ nichts anderes verstehen dart und kann ^' ^ ^4- Ganz^' abgesehen von seltsamen kasuistischen Konsequenzen wie der, daß daraufhin den .Säuglingen« Bedürfnisse bedingungsweise (a. a. 0. S. 17), den Tieren ohne Vorbehalt (S. 19 ff) abgesprochen werden. 5 Vgl. Kraus, a. a. 0. S. 16. weisen können, je größer die Zahl der Tatsachen wird, durch deren Aufdeckung die botanische Forschung der letzten Jahre trotz weitest- gehender Zurückhaltung den Ahnungen Fechners unerwartet exakte Stützen beigebracht hat. Außerdem stehen aber auch demjenigen, der dem Pflauzenleben eine psychische Seite zuzutrauen Bedenken tragen mag, immer noch zwei Wege offen, den oben bestimmten Bedürfnis- gedanken ins Pflanzenreich zu übertragen. Man kann, immerhin zunächst auf Grund physischer Analogien, den Pflanzen eine menschen- oder tierähnliche Innenseite andichten und, diese Fiktion weiterführend, dann auch von Bedürfnissen der Pflanze reden. Man kann aber auch ungenau das als Bedürfnis an der Pflanze bezeichnen, was genau genommen unser eigenes Bedürfnis an der Pflanze heißen müßte: insofern redet man ja wirklich auch leichter von dem, was die Zier- oder Nutzpflanze „braucht", als von Bedürfnissen beim Unkraut. Überdies lassen sich aber diese beiden Gesichtspunkte, insbesondere aber der letztere, nun auch auf das Leblose anwenden. Es war ja oben bereits darauf hinzu- weisen, wie die natürliche Wortanwendung hier nicht leicht die Sphäre dessen überschreitet, was mit menschlichen Bedürfnissen in ausreichend enger Beziehung steht. Man wird also schwerlich fehlgehen, wenn man im Bedürfnisse jedenfalls ein in der obigen Weise näher zu bestim- mendes, innerlich Erlebbares sieht, das bloß unter Umständen, wie das ja auch sonst oft genug begegnet, durch Übertragung eine Art schein- barer Gebietserweiterung in die Sphäre des Leblosen hinein erfahren hat. Es gilt nun nur noch festzustellen, ob der in dieser Weise geklärte Bedürfnisgedanke gestattet, den Wert auf ihn zurückzuführen. Auf die genauere Ausgestaltung einer solchen Zurückführung braucht nicht näher eingegangen zu werden. Insbesondere ist es entbehrlich, dabei zu ver- weilen, ob man die Zurückführung einfach durch die Bestimmung voll- zieht, Wert habe etwas, sofern es der Befriedigung eines Bedürfnisses dient, oder ob man zwischen Bedürfnis und Wert etwa noch den Begriff des Gutes einschiebt, das heißt das, was das Bedürfnis befriedigen kann, als Gut definiert, dem dann erst wieder unter gewissen Einschränkungen Wert zuerkannt wird.^ Man kann sich nämlich, soviel ich sehe, leicht davon überzeugen,, daß das Gebiet der Bedürfnisse schon ganz ohne alle Einschränkung dem Gebiete des Wertes gegenüber viel zu eng ist. Dies erkennt man, wenn man sich die Frage vorlegt, ob alles, worauf wir eventuell Wert legen, uns auch abgeht, wenn wir es nicht besitzen, respektive wenn es überhaupt nicht existiert. Wir werden auf diese Frage in werttheoretisch genauerer Formulierung noch zurückkommen ; 2 für jetzt genüge der Hinweis auf die vielen Luxusgüter, von denen der letzte große Krieg so vielfach hat erfahren lassen, wie leicht man mit etwas gutem Willen ihrer entraten kann, ohne daß sie darum als wertlos zu bezeichnen wären. Daß Gewöhnung so leicht den meist in hohem Grade disteleologischen Effekt hat, aus Gütern dieser Art Bedürfnis- 1 Vgl. C. Meng er, .Grundsätze der Volkswirtschaftslehre*, S. 2. 2 Vgl. unten HI, § 2. Mein eng, Zur Grundlegung der allg. Werttheorie. 2 ]