12 1. Vornntersuchungen. Wertes auf die zweite Gruppe in keiner Weise möchte Bedacht zu nehmen sein. Es wäre aber, soviel ich sehe, eine nicht unerhebliche Erschwerung solchen Beginnens, wollten wir dabei von Anfang an die zweite mit der vierten Gruppe in gleichem Maße berücksichtigen. Aus diesem an sich ganz äußerlichen, weil bloß behandlungstechnischen Grunde soll die auf die Wesensbestimmung gerichtete Untersuchung im folgenden zunächst ausschließlich dem persönlichen Werte gewidmet sein. Dem Bedürfnisse der Kürze entspricht es und hält sich zugleich in Konformität mit dem Herkommen, wenn dabei statt des genaueren Ausdruckes „persönlicher Wert« das Wort „Wert« kurzweg in Anwen- dung genommen wird. Indem sonach Wert in diesem einigermaßen engeren Sinne der Gegenstand nächster theoretischer Bearbeitung wird, kann nicht ver- kannt werden, daß in der oben hervorgehobenen Beziehung auf die Person eines Wertsubjektes höchstens eines der diesen Wert konsti- tuierenden Momente aufgewiesen ist, im übrigen aber die Gegenstands- beschreibung^ oder Wesensbestimmung noch aussteht, auf die unser Absehen zuvörderst gerichtet sein muß. Indem wir also versuchen, das Fehlende zu ergänzen, begegnen wir Bemühungen, wie sie schon dem vorwissenschaftlichen Nachdenken nicht fremd sind. Natürlich empfiehlt es sich für alle Theorie, die Fühlung mit der Betrachtungsweise des täglichen Lebens nicht ohne Not, also nicht vor sorgsamer Prüfung auf- zugeben. Es soll daher im folgenden vor allem versucht werden, mit einigen Auffassungen der Natur des Wertes in Fühlung zu treten, die, der Betrachtungsweise des täglichen Lebens mehr oder minder nahe- stehend, auch dort, wo die Wertfragen zuerst einer eingehenderen theore- tischen Untersuchung unterzogen worden sind, in der Nationalökonomie, herrschend waren und sich auch heute noch vielfachen Anklanges erfreuen. § 2. Wert und Bedürfnis. Man wird kaum fehlgehen, wenn man behauptet, daß, seit die Beziehung des Wertes zur „Person^*, also die wesentlich „persönliche" Natur des Wertes sich der Beachtung aufgedrängt hat, kein Gedanke bereitwilliger zur Beschreibung und wohl auch Erklärung der Werttat- sachen herangezogen worden ist als der des Bedürfnisses. Daß nichts Wert hat, sofern es nicht der Befriedigung eines Bedürfnisses dient, und daß so der Wert nicht wohl besser charakterisiert werden kann, als durch seinen Zusammenhang mit unseren Bedürfnissen, das scheint nicht nur eine ganz selbstverständliche Sache, sondern man hat sich durch diesen Hinweis auf die Bedürfnisse wohl auch immer in besonders exakter oder doch in beruhigend „positiver", von weit- oder tatsachen- freraden Neben-, Unter- oder wohl gar Hintergedanken besonders sicherer Weise belehrt gefühlt. Ohne Zweifel geht dieses gute Zutrauen zum allergrößten Teile auf die Vormeinung zurück, in dieser Weise den Wert, der auf den ersten ^lick doch nicht eben wenig von der eigentümlichen Vgl. ,Über Möglichkeit und Wahrscheinlichkeif, S. 51. § 2. Wert und Bedürfnis. 13 Ungreifbarkeit psychischer Erlebnisse an sich zu haben scheint, doch glücklich noch auf das Gebiet des so beruhigend greifbaren Körperlichen hinübergerettet und ihn so jener ,, naturwissenschaftlichen" Betrachtungs- weise zugeführt zu haben, von der auch heute noch wissenschaftlich ganz gebildete Menschen im stillen meinen, daß sie sich um keinen Preis auf etwas Außerphysisches, das heißt eben auf Psychisches ein- lassen dürfe. Unter solchen Umständen ist hier vor allem zu fragen unerläßlich, inwieweit es mit der physischen Natur des Bedürfnisses denn eigentlich seine Richtigkeit habe. Der Nachweis dafür scheint fürs erste leicht zu erbringen. Es ist ja nichts alltäglicher, als von leiblichen Bedürfnissen zu reden, die man dem Tiere ebenso gut zuschreibt wie dem Menschen. Dann sagt man aber auch noch ebenso natürlich von den Pflanzen, sie brauchen oder bedürfen Licht, Luft und so fort; und am Ende ist das Anwendungs- gebiet unseres Wortes nicht einmal durch die Grenzen organischen Lebens eingeschränkt. Ein Elektromotor ,, bedarf" eines Stromes von dieser Stärke und jener Spannung, ein Straßenbahnwagen eines Motors von so und soviel Pferdekräften; ein zu lange ununterbrochen benutztes Leclanchö-Element ,, bedarf" der Ruhe so gut wie ein zu stark ausge- nützter Ackergrund; ein schadhaftes Gerät „bedarf" der Ausbesserung und so fort. Überdies scheint es nun aber auch leicht, den Gesichts- punkt anzugeben, der für diese so außerordentlich weite Anwendung des Wortes ,, Bedürfnis" als entscheidend angesehen werden kann und der einen Rekurs auf Psychisches in keiner Weise verlangt. Ein ver- fallendes Haus ,, bedarf" der Reparaturen, weil es ohne diese zugrunde ginge: es ,, bedarf" eben dessen, was zu seiner Erhaltung nötig ist. Noch deutlicher wird dies auf dem Gebiete organischen Lebens; und hier tritt eventuell noch das Moment der Arterhaltung hinzu, der man dann das auch über die Organismen hinaus für das Bedürfnis Maßgebende als Selbsterhaltung gegenüberstellt. So ist es denn in der Tat der Zusammen- hang mit Selbst- und Arterhaltung, durch den man die Tatsache des Bedürfnisses ausreichend charakterisieren zu können meint: er bietet demgemäß auch gar keinen Anlaß, über das wohlvertraute Gebiet des Physischen hinauszugehen. Stellt man sich hier nicht etwa auf den stets in gewissem Sinne unangreifbaren Standpunkt eines „sie volo" auf Grund der Definitions- freiheit, so muß man einer solchen Auffassung schon die Tatsache ent- gegenhalten, daß man, natürliche Redeweise vorausgesetzt, das Wort ,, Bedürfnis" kaum auf jeden Fall von Erhaltung wird anwenden wollen: vom Bedürfnisse eines Karzinoms nach Nahrungszufuhr oder eines Hoch- wassers nach dem Bruch eines Schutzdammes wird doch nicht gut zu reden sein, woraus zu schließen ist, daß die Selbsterhaltung nur unter gewissen Vorbehalten^ mit der Tatsache des Bedürfnisses in engem Konnex steht. An einem solchen Vorbehalte scheint es aber auch im Bereiche der menschlichen Bedürfnisse keineswegs zu fehlen. Oder wird 1 Auf die Natur dieses Vorbehaltes kommen wir unten S. 16 zurück.