10 I. Vonmtersuchimgen. einmal, ob unser heutiges Sprachgefühl diese oder eine andere der sechs Bedeutungen als die sozusagen natürliche, das heißt nächstliegende an- erkennt, — ferner, ob derselben in Bezug auf Charakterisiertheit oder Wichtigkeit eine Vorzugsstellung zukommt. Es kommt eben im Sinne der Ausführungen des vorigen Paragraphen einerseits darauf an, was man beim Worte „Wert" tatsächlich denkt, andererseits darauf, was man dabei denken soll. Eine völlig exakte Behandlung gestatten diese Gesichtspunkte freilich kaum ; es wäre indes auch nicht billig, in dieser Hinsicht allzu hohe Anforderungen zu stellen. Das betrifft vor allem den ersten der beiden eben namhaft gemachten Punkte. Unter dem Vorbehalte also, daß ja hier manches Sache persön- lichen Dafürhaltens und eines gewissen Taktes bleiben wird, glaube ich immerhin auf recht allgemeine Zustimmung rechnen zu dürfen, wenn ich meine, daß man beim Worte ,,Wert** doch besonders leicht an das denken wird, was seinem Wesen nach in die vierte unserer obigen ' Gruppen fällt, das heißt also, daß Wert im uns zunächst liegenden Sinne persönlicher Wert ist. Ein Zweifel könnte sich nur zugunsten der dritten Gruppe geltend machen, aber, was sehr bezeichnend ist, nicht der ganzen dritten Gruppe, sondern bloß jenes Teiles derselben, der die National- ökonomie längst unter dem Namen des Tauschwertes beschäftigt. Immer- hin mag es denn auch bei der grundlegenden Bedeutung, die der Tausch- wert im wirtschaftlichen Leben besitzt, ganz angemessen sein, wenn n^an in der Nationalökonomie darauf bedacht bleibt, diesem eine Art koordinierter Stellung neben dem persönlichen Wert (dem „Gebrauchs- wert") zu wahren.! Daran, in ihm den ^eigentlichen" Wert in dem Sinne zu sehen, daß dem persönlichen Wert der eigentliche Wert- charakter abgesprochen würde, denkt heute, soviel mir bekannt, kein Nationalökonom. Dagegen hat sicher gerade die allgemeine Werttheorie in besonderem Maße das Recht und die Pflicht, aus der sich der Praxis darbietenden Zweiheit der Werterscheiuungen, wenn man so sagen darf, womöglich das Einheitliche, den in diesem Sinne „eigentlichen" Wertbegriff herauszuarbeiten. Wir kommen damit auf den zweiten der oben namhaft gemachten Punkte. Gehen wir dabei, was den obigen Darlegungen ja ganz gemäß ist, wieder von der dritten Bedeutung aus, so darf man wohl vorerst behaupten, daß nach dem Worte „Wert" als einfachem Ersatz für „Leistungsfähigkeit", das ist eben Fähigkeit kurzweg, ein Bedürfnis sicher nicht vorliegen wird. Ebenso deutlich dürfte sein, daß es sich vielleicht unter besonderen Umständen, aber eben nur unter diesen, empfehlen mag, den Fähigkeitsgedanken in die erste unserer vier Be- deutungen verblassen zu lassen. Um so mehr spricht es für sich selbst, den relativ speziellen Fall von Fähigkeit, wo dieser, wie sich zeigen wird, als Leistung ein ausreichend charakteristisches und wichtiges Erlebnis gegenübersteht, das die an sich unpersönliche Fähigkeit „per- sönlich" macht, durch einen eigenen Ausdruck, das Wort „Wert" aus- 1 Vgl. Wieser a. a. 0. S. 38 f., Böhm-Bawerk a. a. 0. S. 682 f. 1. Vom Anwendungsgebiet des Wortes „Wert". 11 zuzeichuen. Und dem kommt wohl noch in besonderem Maße zustatten, daß der eben als einziger sozusagen gefährlicher Konkurrent in Frage kommende „objektive" Wert, doch wohl nur äußerlich, nicht aber inner- lich von diesem „persönlichen" Werte unabhängig konzipiert sein wird. Es wurde schon berührt, daß man dem Ofen nicht wohl einen , Rauch- wert" zuschreibt, weil eben das Rauchen selbst keinen Wert, jetzt das Wort im Sinne des persönlichen Wertes verstanden, hat. Ebenso würde mau schwerlich von Tauschwert reden, wenn das Tauschen nicht unter Umständen eine wertvolle Sache, für irgend jemanden natürlich, also im Sinne persönlichen Wertes, wäre. Der Tausch aber hat Wert, weil das zu Tauschende Wert hat. Und sollte, wie es beim Preise irrtüm- lich^ leicht geglaubt werden könnte, der Schein einer gewissen Unper- söülichkeit dadurch eintreten, daß dabei nicht auf eine einzelne „Per- son", sondern auf irgend eine kleinere oder größere Menge von Personen unterschiedlos Bezug zu nehmen wäre, so wäre es doch immer noch die Ausgestaltung des Fähigkeitsgedankens zum Wertgedanken im Sinne der vierten unserer Bedeutungen, mit der man es da zu tun hätte. Verstellt man in der Tat das Wort „Wert" so, so dürfte also im be- sonderen auch die Nationalökonomie als Lehre vom wirtschaftlichen Werte in Wahrheit schwerlich mit zwei koordinierten Wertbegriffen, sondern zunächst mit dem persönlichen Werte und außerdem mit einem eigentümlichen Derivat dieses Wertes zu tun haben. Natürlich gehört es aber auch dann ganz und gar vor das interne Forum dieser Wissen- schaft, ob und warum sie etwa für ihre Zwecke den sozusagen eigent- lichen Wert und dessen Derivat auf gleichem Fuße behandelt. Daß der so immer deutlicher zur Geltung kommenden Vorzugs- stellung unserer vierten Gruppe etwa die fünfte oder sechste erheb- lichen Abbruch sollte tun können, wird unbeschadet des Vielen, was bei Einführung dieser Gruppen noch hat ungeklärt gelassen werden müssen, kaum erwartet werden. Dagegen wird man der zweiten Gruppe, die wir oben vorläufig als die der Würdigkeiten bezeichnet haben, eine sehr enge und natürliche Beziehung zu dem, was man unter dem Namen des Wertes als Bedeutung dieses Namens ins Auge zu fassen , pflegt, nicht wohl absprechen können. Nicht als ob diese „Verdientheit", auf die wir oben bereits geführt wurden, etwa selbst der Wert wäre; eher könnte man in ihr eine Bestimmung vermuten, die sich nur dort anbringen läßt, wo Wert vorliegt. Andererseits hat man, was oben gele- gentlich schon berührt wurde, auch gar nicht den Eindruck, als ob, was das Wesentliche der zweiten Gruppe ausmachen mag, mit dem, was den persönlichen Wert charakterisiert, unvereinbar sein müßte, da es vielmehr einen ganz guten Sinn zu haben scheint, von einem Ob- jekte zu behaupten oder zu bestreiten, daß es verdiene, für ein Objekt persönlichen Wertes zu gelten.[^ So ist es in der Tat nichts weniger als ausgemacht, daß bei der vorzunehmenden Wesensbestimmung des 1 Vgl. F. V. Wies er, »Über d. Urspr. u. d. Hauptges. d. wirtschaftl. Wer- tes* S. 18 f.