\ 8 I. Vornntersnchnngen. § 1. Vom Anwendungsgebiet des Wortes „Wert". 9 I nun ganz von selbst auch ein unpersönlicher Wert an die Seite. Den hohen Wert von Wahrhaftigkeit, Treue oder edler Gesinnung wird nie- mand in Abrede stellen, aber manchem mag es ganz unnatürlich erscheinen, nach jemandem zu fragen, für den als Subjekt diese Werte Geltung haben sollen. Es mag angesichts solcher Werte dann sogar der Gedanke entstehen, ob nicht vielleicht erst Werte dieser Art, also unper- sönliche Werte Anspruch darauf erheben dürften, Werte im eigentlichsten Wortsinne zu heißen. Mit wie viel Recht, das muß natürlich vorerst noch unerwogen bleiben. Ebenso muß das Verhältnis des unter diesen Gesichtspunkt zu Subsumierenden zu den vorher namhaft gemachten Gruppen erst späterer Klärung überlassen bleiben : man mag sich immer- hin vorerst die unpersönlichen Werte den persönlichen möglichst ähnlich und ihnen gegenüber eben nur durch den Umstand gekennzeichnet denken, daß das Bezugssubjekt prinzipiell fehlt. Im Anschluß an die Gruppen der persönlichen und der unpersön- lichen Werte sei auch noch kurz zweier weiterer Gruppen gedacht, bei deren Behandlung sich zunächst eine besonders große Unsicherheit bemerklich macht, die schon im Zweifel darüber zur Geltung kommt, ob man es da wirkhch mit zwei Gruppen zu tun hat oder nur mit einer, falls beide Gruppen nicht etwa gar ohne weiteres in den Bereich der persönlichen Werte einzubeziehen sind. Ich meine das Schöne und das \\rahre — nebst ihren Gegenteilen — , insbesondere also Kunst und Wissenschaft. Niemand zweifelt daran, daß man es da mit Werten, eventuell sehr hohen Werten zu tun habe. Unter Umständen gelingt hier die Subsumtion unter die Betrachtungsweise der persönlichen Werte so leicht, daß sich dann einem „Kunstgegenstande'* sogar ökonomischer Wert beimessen läßt. Aber solchem ökonomischen Werte liegt dann doch meist ein besonderer Kunstwert als Voraussetzung zugrunde, und dieser tritt in seiner Eigenart noch viel deutlicher hervor, wo er, wie namentlich bei Dichtung und Musik die Regel ist, sich gar nicht an Wirkliches gebunden zeigt. ^ Eine gewisse Verwandtschaft der Sachlage beim Wahren ist nicht zu verkennen; doch soll die Untersuchung an dieser Stelle nicht weitergeführt werden, da den hier obwaltenden Ver- hältnissen in späterem Zusammenhange mit leichterer Mühe Rechnung zu tragen sein wird.- Unter den Anwendungen des Wortes ,,Wert*' jedoch durfte weder das Schöne noch das Wahre unerwähnt bleiben: kurz könnte man hier etwa von Schönheits- und von Wahrheits- werten reden. [^] Zusammenfassend dürfen wir als Ergebnis der hier versuchten Um- schau nebeneinanderstellen : Größenwert, Wert als Würdigkeit, Leistungs- wert und persönlichen Wert; außerdem noch Schönheits- und W^ahrheits- wert und es steht zu hoffen, daß wir keinen wichtigen Wertfall dabei übersehen haben. Können wir uns Gedanken darüber machen, wie diese sechs so verschiedenen Gruppen dazu kommen, jede in irgend einer Weise 1 Vgl. „Über Urteilsgefühle, was sie sind nnd was sie nicht sind" im Archiv f. d. ges. Psychologie 1905, Bd. VI, S. 45. [Ges. Abhandlungen, Bd. I, 1914.] 2 Vgl. unten IV, § 7. dem Anwendungsbereiche des Wortes ,,Wert" zuzugehören? Denken wir uns also gemäß der zu Anfang dieser Darlegungen gemachten methodo- logischen Bemerkung die zur Charakteristik jeder unserer sechs Gruppen verwendeten Bestimmungen als die Bedeutungen, die dem Worte „Wert'' in jeder dieser sechs Anwendungsweisen eigen sind, denken wir uns ferner die Verschiebung von Wortbedeutungen in der Weise vor sich gegangen, daß determinierende Momente an eine Ausgangsbedeutung bald hinzutreten, bald davon in Abfall kommen, so könnten wir immerhin etwa von der dritten unserer Gruppen ausgehen. Erscheint hier zunächst jeder Wert determiniert durch die Leistung, die ihn begründet, so könnte Leisten ganz im allgemeinen wohl als Wert bezeichnet werden. Es leistet aber Verschiedenes und hat demgemäß verschiedenen Wert, was verschieden beschaffen ist : Größen verschiedenen Wertes wären demnach einfach so viel als verschiedene Größen, wie uns dies in der ersten unserer Gruppen wirklich begegnet ist.^ Umgekehrt könnte aber die den Wert konstituierende Leistung auch derart eingeschränkt werden, daß man von Wert vorzugsweise dort redete, wo die Leistung sich in bestimmter Weise an einem psychischen Wesen verwirklicht, vielleicht so, daß diesem eine Art Förderung zuteil wird, seinen Bedürfnissen Genüge geschieht oder dergleichen. Das wäre der Fall der vierten Gruppe, allenfalls auch der fünften und sechsten. Am wenigsten leicht gelingt in dieser Weise die Einbeziehung der zweiten Gruppe, die man aber immerhin etwa so versuchen könnte: Was etwas tatsächlich leistet, respektive zu leisten fähig ist, hat auch den Anspruch, in Bezug hierauf anerkannt zu werden. Eine Folgetatsache des Wertes im dritten Sinne scheint so in der zweiten Gruppe zur Geltung zu kommen. Immerhin kann das im Gedanken der Würdigkeit oder des Verdienens liegende Moment einer gewissen inneren Vernünftigkeit dann auch wieder auf das Verhältnis des Leistenden oder Fähigen zu seiner Leistung über- tragen und insbesondere auf die vierte, fünfte und sechste Gruppe so angewendet werden, daß Wert in besonders strengem Sinne etwa den- jenigen Objekten beizumessen wäre, die das für die betreffende Gruppe charakteristische psychische Verhalten nicht nur tatsächlich auf sich ziehen, sondern es auch wirklich verdienen. Wie man sieht, ist es also immerhin möglich, von der dritten der oben aufgezählten sechs Wortbedeutungen aus eine Art natürlicher Ver- wandtschaft zwischen allen sechs Bedeutungsgruppen herauszufinden. Darf man daraus schließen, daß Leistungsfähigkeit auch die ursprüngliche und sozusagen sprachlich authentische Bedeutung des Wortes ,,Wert" darstellt? Streng genommen ist das eine Frage der Sprachgeschichte, auf die nicht aus Konstruktionen wie die obigen, sondern aus den Tat- sachen der Sprachgeschichte die überzeugende Antwort zu holen sein wird. Ein anderes ist die Frage, ob auch die Werttheorie ihren Gegen- stand und damit ihre Aufgabe sich im Sinne dieser dritten Bedeutung zu bestimmen hat. Maßgebend dafür wird wohl zweierlei sein müssen : / Vgl. auch E. Hey de „Grundlegung der Wertlehre", S. 100 f. \