9 Methodisches znr Einleitung. verstanden zu werden. Er findet sich so an den überkommenen Gebrauch gewiesen, der, wo es auf die Vorbestimmung von Wissenschaftsgegen- ständen ankommt, noch aus einem besonderen Grunde geachtet zu werden verdient. Indem die wissenschaftliche Arbeit sich einem in ^ bestimmter Weise benannten Gegenstande zuzuwenden erklärt, appelliert '' sie dadurch normaler Weise an das Interesse der Umgebung, das sich nur getäuscht finden könnte, falls unter der Flagge eines Namens anderes zur Behandlung käme, als was die allgemein übliche Anwen- dungsweise des Namens erwarten läßt. Nimmt man hinzu, wie in sol- cher Anwendungsweise sich nicht selten ein ansehnliches Stück theo- retischer Vorarbeit verrät, so begreilt sich, wie sehr man Grund hätte, im Wortgebrauch so konservativ als nur immer möglich zu sein, wenn sich der Anwendung dieses Prinzips nicht gelegentlich unüberwindliche Hindernisse in den Weg stellten. Solcher Hindernisse wird man sofort gewahr, wenn man bedenkt, daß der Sinn der Wörter sich in zweierlei Weisen manifestiert, einer mehr äußerlichen und einer mehr innerlichen.!^] Für einigermaßen äußerlich darf das Anwendungsgebiet eines Wortes gelten, also das Kollektiv der Gegenstände, die unter Verwendung des Wortes dem Her- kommen gemäß gemeint werden können, — für mehr innerlich das- jenige, was der Redende beim Gebrauch des Wortes als dessen Be- deutung tatsächlich denkt, und was so den Hilfsgegenstaud auszumachen hat, der geeignet sein soll, das eben als Anwendungsgebiet bezeichnete Kollektiv als Kollektiv der ihm zugehörigen Zielgegenstände^ zusammen- zuhalten. Demgemäß sollte sich das Anwendungsgebiet einfach nach der Bedeutung des Wortes bestimmen; die Erfahrung zeigt dagegen eine ziemlich weitgehende Unabhängigkeit des Anwendungsgebietes von der Bedeutung namentlich darin, daß die Zugehörigkeit eines Gegen- standes in das Anwendungsgebiet oft viel besser gesichert ist als die Bedeutung, indem es dem Redenden auch bei fester Anwendung duich- aus nicht leicht fallen muß, von der Beschaffenheit eines mit dem Worte auftretenden Bedeutungsgedankens Rechenschaft zu geben. Nun ist aber gerade die Bedeutung dasjenige, durch das ein Wort sich zu einigermaßen präziser Gegenstandsbestimmung geeignet erweisen kann. So erwächst für denjenigen, der sich eines Wortes zu wissenschaft- lichen Zwecken bedienen will und muß, so leicht die Aufgabe, vom Anwendungsgebiet aus diejenige Bedeutung herauszufinden, die als mehr oder minder fiktiver Hilfsgegenstand die empirisch gegebenen Anwen- dungsfälle zu vereinigen imstande ist. Ist es nun aber Tatsache, daß ein Wort zu seinem Anwendungs- gebiete nicht nur unter Vermittlung einer bestimmten Wortbedeutung gelangt, so ist es selbstverständlich, daß ein empirisch gegebener An- wendungskreis keineswegs jedesmal so beschaffen sein wird, daß eine Bedeutung als natürliches Zentrum dieses Kreises müßte nachkonstruiert Methodisches zur Einleitung. 3 1 Vgl. in Betreff der Begriffe des Ziel- und Hilfsgegenstandes „Über Mög- lichkeit und Wahrscheinlichkeit'' S. 196 ff. werden können. Ergibt eine derartige Konstruktion schon günstigen Falles einen Gegenstand als fiktive Bedeutung, an den der Redende beim Wortgebrauche zunächst nicht gedacht hat, so muß ungünstigen Falles, um die Konstruktion überhaupt zu ermöglichen, eventuell ein Teil des durch den Gebrauch gegebenen Anwendungsgebietes aufgegeben, eventuell auch ein bisher nicht eiubegriffenes G^ebiet neu einbezogen werden. Das sind die Fälle, in denen die Theorie einen Wortgebrauch ex definitione einschränkt oder erweitert, wobei die Anforderungen noch nicht berücksichtigt sind, die an das in einer solchen Definition vereinigte Material nach Eignung zum Charakterisieren, nach Schärfe, Reichtum an Konsequenzen und so fort gestellt werden müssen, wenn den Aufgaben theoretischer Bearbeitung damit gedient sein soll. Daß dabei von der vielberufenen Definitionsfreiheit wenig genug übrig bleibt, versteht sich; in der Tat besagt ja diese Freiheit im Grunde nicht viel mehr als dies, daß Definitionen von Natur keine Urteile^ und daher den durch die Rücksicht auf die Wahrheit diesen gebotenen Beschrän- kungen nicht unterworfen sind. [2] Zusammenfassend könnte man also die Leistungen einer Definition, durch die mit Hilfe eines Terminus ein Gegenstand in die theoretische Bearbeitung eingeführt werden soll, etwa so kennzeichnen: die Defini- tion hätte von Haus aus nur anzugeben, was man sich bei dem be- treffenden Worte denkt; sie muß sich eventuell, obwohl dieser Leistung jederzeit nach Möglichkeit nahe bleibend, begnügen, anzugeben, was man bei dem Terminus angesichts seines Anwendungsgebietes denken könnte oder wenigstens im Interesse theoretischer Brauchbarkeit des unter diesem Terminus eingeführten Begriffes denken sollte, wo dieses , Sollen* selbst immer noch ein Sammelname für sehr verschieden- artige Erfordernisse bleibt. Daß auch die drei Hauptleistungen, die Rücksicht auf Denken, Denkeukönnen und Denkensollen untereinander in einen Konflikt treten können, dem gegenüber die Entscheidung zu- gunsten der einen oder der anderen Rücksicht zu treffen, nicht immer frei von arbiträrem Dafürhalten sein wird, versteht sich. Immerhin wird es aber definitorischen Festsetzungen, wie sie zu Anfang einer theoretischen Darlegung besonders häufig unvermeidhch sind, zu statten kommen, wenn man sich über die Leistung klar ist, um deren willen man sich für diese und gegen jene Definition entscheidet. Als prak- tische Verfahrungsweise zur Gewinnung solcher Begriffs- oder Wesens- bestimmungen aber dürfte sich, wo nicht etwa eine Wortbedeutung, die auch sonstigen theoretischen Anforderungen entspricht, von selbst heraustritt, empfehlen, zunächst das durch den Gebrauch tatsächlich vorgegebene Anwendungsgebiet des betreffenden Terminus abzustecken, um, falls die Feststellung einer ebenfalls vorgegebenen und theoretisch brauchbaren Wortbedeutung nicht gelingt, an Stelle einer Rekonstruk- tion die Neukonstruktion und ausreichende theoretische Adaptation einer geeigneten Wortbedeutung vornehmen zu können. 1 Vgl. „Über Annahmen", 2. Aufl., S. 271 f.