158 IV. Der Wertgedanke. Bedeutung ist, den unpersönlichen Wert als Eigengegenstand der Urteils- inhaltsgefühle zu bestimmen. Näher kann der Wert also nur in den Bereich des durch Gefühle Präsentierten, das ist in das Gebiet dessen fallen, was ich den durch Denken, respektive Begehren präsentierten Objektiven und Desiderativen unter dem Namen der Dignitative an die Seite gesetzt habe. Tritt hierin eine gewisse Analogie zwischen Objektiv und Wert zutage, so darf es wohl als eine Anerkennung derselben betrachtet werden, daß gelegent- lich der Wert der Existenz gegenübergestellt¹ und nun schon von ver- schiedenen Seiten für den Wert die Position einer Art Seitenstückes zum Sein unter dem Namen des Geltens in Anspruch genommen worden ist. Ich möchte nicht unerwähnt lassen, daß, mir diesen Wortgebrauch zu eigen zu machen, zunächst ein nicht ganz unerhebliches Widerstreben meines Sprachgefühles zu überwinden hatte. Ich denke indes dieses Widerstreben, nicht zum geringsten Teile mit Hilfe des Grimm'schen Wörterbuches2, überwunden zu haben und freue mich der dadurch gewonnenen auch äußerlichen Annäherung an die Windelband-Rickertsche Betrachtungsweise, der ich ja, was insbesondere die absolute Natur des (unpersönlichen) Wertes anlangt, heute durchaus stattgeben kann. Daß so dem Dignitativ in gelten" ein charakterisierendes Verbum verfügbar wird, ähnlich wie in „sein“ und „sollen" dem Objektiv und dem Desiderativ, darin kommt die eigenartige Verwandtschaft dieser drei Klassen von Gegenständen höherer Ordnung³ in erwünschtester Weise zu ihrem Rechte. Durch den Hinweis auf diese Übereinstimmung ver- suche ich ein Versäumnis früherer Publikationen gut zu machen, bei deren Abfassung mir insbesondere H. Rickerts Abhandlung „Vom Begriff der Philosophie" unbekannt war, so daß dieses Zusammentreffen von ganz verschiedenen Ausgangspunkten her nicht ohne allen verifizierenden Belang sein kann. In der genannten Schrift ist auch bereits die grund- legende gegenständliche Verschiedenheit des Wertes von den realen Dingen der Wirklichkeit zu ihrem Rechte gelangt5: der genannte Forscher ist einer der wenigen, die darauf Bedacht nehmen, daß das Universum in der Gesamtheit des Wirklichen noch lange nicht erschöpft ist und nur insofern könnte bei ihm die Sonderstellung der Geltung in allzu scharfes Licht gerückt sein, als auch schon Sein und Sosein, eben die 1 Vgl. W. Strich, „Das Wertproblem in der Philosophie der Gegen- wart", S. 26. 2 Bd. IV, 1. Abteilung, 2. Teil, Sp. 3075 ff., spricht dem Worte „gelten“ wesentlich die Bedeutung „wert sein, Wert haben“ zu. Dies bewährt sich „a) am deutlichsten vom Geld, das eben davon seinen Namen erhält, . . . b) auch von Ware und Wertsachen, Wertsein, Kosten, . . c) bildlich ausgedehnt auf Wert- bestimmung von allerlei anderem, auch sittlich, geistig, . . . d) daher gleich bedeuten, als gleichwertig vertreten, ferner überhaupt vom anerkannten Wert aller Art, der sich auch in Gunst und Ansehen, als Kraft und Wirkung oder Einfluß äußert, was in dem vielseitigen »Geltung« zusammengefaßt wird • 8 Vgl. „Über emotionale Präsentation", S. 105 ff. 4 Logos, Bd. I, 1910, besonders S. 11 ff. 5 Vgl. a. a. O., S. 12. 6 A. a. O., S. 13. 66