142 IV. Der Wertgedanke. 22 auf zwei zu einander gegensätzliche Werthaltungen an, deren jeder eine Art Anteil an dem resultierenden Gesamtwerte eignet. Jeder dieser Anteile könnte als ein „Partialwert" dem Totalwerte" gegenüber- gestellt werden, wo dann bei jenen passend von Seinspartialwert gegen- über Nichtseinspartialwert die Rede sein mag. „Wert" ist dabei zunächst in dem weiteren Sinne verstanden, der sowohl positiven als negativen Wert in sich begreift. Es steht aber auch nichts im Wege, im Bedarfs- falle unter „Seins- und Nichtseinspartialwert" speziell den positiven Gegensatz zu „Seins- und Nichtseinspartialunwert" zu verstehen. Es ist unverkennbar, wie auf Grund der eben festgelegten Be- stimmungen Wert und Werterlebnis, insbesondere Werthaltung, gleich- sam auseinander rücken. Konstitutiv für den Wert sind zwei Erlebnisse, die niemals zugleich gegeben sein können, da für das eine der Glaube an das Sein, für das andere der Glaube an das Nichtsein des präsum- tiven Wertobjektes wesentlich ist. Der Wert selbst ist so wenig ein Erlebnis, daß er seinen beiden Komponenten nach gar nicht auf einmal erlebt werden kann und nur etwa die Frage aufzuwerfen ist, welcher Art das Erlebnis sein mag, das ihn zu erfassen geeignet ist. Besonders dringend aber macht sich das Bedürfnis geltend, schon hier einen Gesichtspunkt namhaft zu machen, unter dem die beiden Partialwerte sich als zusammengehörig darstellen und nicht etwa bloß disjecta membra ausmachen. Ich habe in dieser Hinsicht einst¹ auf die Stellung hingewiesen, die diesen beiden Komponenten hinsichtlich der Begehrungsmotivation zukommt und denke mir dadurch nicht den Vor- wurf zugezogen zu haben², ich hätte so die Gefühlsdefinition zugunsten der Begehrungsdefinition des Wertes aufgegeben. Indes hat man es hier zwar mit einer wichtigen, aber doch allzu entfernten Folgetatsache zu tun, als daß man den Wertgedanken selbst gleichsam nach ihr orientiert glauben dürfte. Und in der Tat ist der Gesichtspunkt, unter dem die beiden Partialwerte ihre natürliche Zusammengehörigkeit erkennen lassen, naheliegend genug. Es ist eine recht alltägliche, aber doch ganz charakte- ristische Betrachtungsweise, die Gegenstände sozusagen auf ihre Objektive, zunächst auf Sein und Nichtsein, anzusehen und auf das Ergebnis solcher Betrachtung durch die uns geläufigen Wertgefühle zu reagieren. Diese beiden Reaktionsweisen können zwar, wie berührt, niemals zugleich auf- treten, aber sie gehören ihrer Natur nach zu einander und es ist insofern auch natürlich, sie in einem einzigen Gedanken zu vereinigen, als der sich uns der Gedanke des Totalwertes oder des Wertes schlechthin darstellt. § 6. Der persönliche Wert. Aus den Ergebnissen der bisherigen Untersuchungen können wir nunmehr durch den Versuch die Summe ziehen, das Wesen des natürlichen Wertgedankens, soweit dabei der persönliche Wert in Frage kommt, auch definitorisch zu charakterisieren. Prinzipielles über 1,,Über Werthaltung und Wert", a. a. O., S. 338 ff. 2 Vgl. „Über Annahmen" 2, S. 324 f.