138 IV. Der Wertgedanke. haben sollte, doch wohl im Besitze des Subjektes sein, eine Voraus- setzung, die unter den gegebenen Umständen wieder ausgeschlossen wäre. 5. Die Partialwerte und der Totalwert. Hat sich als der nächste Vorwurf der voranstehenden Unter- suchungen die Relation zwischen Wert und Hauptwerterlebnis heraus- gestellt, so darf eine solche die Wertgröße nicht unberücksichtigt lassen, sofern an ihr die Beschaffenheit des hier vorliegenden funktionellen Zusammenhanges noch eine besondere Beleuchtung erfährt. Daß aller Wert steigerungsfähig ist, also Größe hat, darüber besteht kein Zweifel. Daß auch die Werthaltung quantitativ variabel ist, darauf war bereits hinzuweisen¹, und in betreff der Weise, in der Wertgröße und Wert- haltungsgröße zusammenhängen, scheint eine Unsicherheit nicht obwalten zu können. Es ist ja selbstverständlich, daß zur stärkeren Werthaltung der größere Wert, zum kleineren Wert die schwächere Werthaltung gehört. Nun hatte ich aber bereits vor Jahren² darauf hinzuweisen, wie es sich nicht selten zuträgt, daß wir auf die Existenz von Objekten erheblichen Wertes, wie Freundschaft, Gesundheit, mit relativ schwachen Werthaltungen reagieren im Gegensatze etwa zu einem unerwarteten Geschenk, über das man sich lebhaft freuen kann, auch wenn es sich dabei nur um eine Kleinigkeit handelt. Es fragt sich jetzt, was für Konsequenzen sich hieraus in betreff der Relation zwischen Werthaltung und Wert ergeben. Daß man auf die hier vorliegende Diskrepanz hin versuchen könnte, der Werthaltung schon von vornherein die ihr vindizierte Bedeu- tung für den Wert abzusprechen, darauf bin ich seinerzeit bereits selbst aufmerksam gewesen. Aber die natürliche Zusammengehörigkeit von Werthaltung und Wert schien mir und scheint mir auch heute so augen- fällig, daß die Theorie sich wohl nur darauf angewiesen findet, diesen Tatsachen Verständnis abzugewinnen, ohne jene Zusammengehörigkeit in Frage zu stellen. Und dies gelingt in der Tat mit leichter Mühe, wenn man außer unserem Wertverhältnis zur Existenz auch das zur Nichtexistenz, allgemeiner außer dem zum Sein auch das zum Nicht- sein in Betracht zieht. Es handelt sich dabei ohne Zweifel um das, was uns in früherem Zusammenhange bereits unter dem Namen der „Gegengefühle entgegengetreten ist und stünden diese jederzeit in dem Stärkeverhältnis zu einander, das den Anforderungen innerer Vernünftig- keit" gemäß wäre, so käme ihnen schwerlich die Eignung zu, der in Rede stehenden Schwierigkeit abzuhelfen. Denn liegt mir viel an der Existenz, so muß mir „vernünftigerweise auch die Nichtexistenz nahe- gehen, und verschlägt mir die Existenz nicht viel, so sollte auch die Nichtexistenz nicht viel für mich zu bedeuten haben. Aber wir haben 1 Vgl. oben S. 82. » 2 In der Abhandlung „Über Werthaltung und Wert", Archiv f. systemat. Philos., Bd. I, 1895, S. 328 ff., 331 f. 8 A. a. O., S. 332, vgl. jetzt auch W. Strich, „Das Wertproblem in der Philosophie der Gegenwart", S. 39.