132 IV. Der Wertgedanke. halten und daraufhin etwa den unbeteiligten Zuschauer" als dieses Subjekt in Anspruch nimmt, wird an der Existenz derartiger Subjekte im allgemeinen zwar nicht leicht zweifeln, aber den Bewohner der viel- berufenen „einsamen Insel" darum doch nicht leicht außer aller Ethik stellen.[37] Im ganzen sieht man jedenfalls, daß am Wertsubjekte den all- fälligen Aktualisierungserfordernissen in sehr weit auseinandergehenden Weisen Rechnung getragen erscheint. Gehen wir nun vom Wertsubjekt zum Wertobjekt über, so nimmt es sich da wieder besonders selbstverständlich aus, daß vom Werte dort nicht wohl die Rede sein kann, wo das Objekt fehlt. In der Tat, wenn der Reiche auf seinen Schatz Wert legt, so tut er es unter der Voraussetzung, daß dieser Schatz eben in seinem Besitze existiert: in der Bestimmung eines Objektes als wertvoll scheint also dessen Existenz oder allgemeiner dessen Sein thetisch mit einbezogen zu sein. Man muß allerdings, soweit es sich um Existenz handelt, beifügen, daß der Existenzgedanke sich hier, wie gelegentlich auch sonst¹, hin- sichtlich der Zeit unnatürlich eingeschränkt zeigt, sofern was war oder sein wird, dem Bereiche des Nichtdaseienden zugewiesen erscheint. Es gibt, wie schon zu erwähnen war,2 nicht nur Gegenwärtigkeits-, sondern nicht minder Vergangenheits- und Zukunftswerte, auf die man ganz ohne Rücksicht auf das Zeitmoment eventuell mit Gefühlen vom Typus der Seinsgefühle reagiert, so daß hier augenscheinlich nicht das maß- gebend ist, was man gewöhnlich Existenz nennt, sondern das, was ich als Persistenz bezeichnet habe, eine terminologische Modifikation, auf die übrigens der Einfachheit der Verständigung wegen im folgenden weiter kein Gewicht gelegt werden soll. Jedenfalls entspricht es dem Dargelegten, daß man sich einem Nichtdaseienden gegenüber zumeist darauf beschränkt, von ihm zu behaupten, nicht daß es Wert habe, sondern daß es Wert hätte. Wenn für eine Stadt, die längst schon eines modern eingerichteten Kranken- hauses bedarf, das Projekt eines solchen mit größter Sachkenntnis und Sorgfalt ausgearbeitet ist, wird von diesem Krankenhaus trotz seiner Vorzüge niemand in ungezwungener Weise sagen, daß es für die Stadt Wert habe, sondern nur, daß es für sie Wert, vielleicht großen Wert hätte, wenn es nicht bloß projektiert, sondern wirklich ausgeführt wäre, kurz also, wenn es existierte. Ähnlich kann es verstanden werden, wenn ein Antiquitätensammler von einem merkwürdigen Stück, das ihm zum Kaufe angeboten wird, sagt, das Stück würde großen Wert für ihn haben, nämlich wenn es sein Eigentum wäre. Wert für ihn hat eben nicht das Stück kurzweg, auch nicht das Stück im Besitze etwa des Händlers, sondern das Stück in seinem eigenen Besitz; und das so determinierte Stück existiert nicht, solange er es nicht gekauft hat. Nur ist es hier nicht unerläßlich, sich gerade auf die Existenz oder eigentlich auf die Nichtexistenz des allfälligen Wertobjektes zu berufen. 1 Vgl. „Über Annahmen" 2, S. 76 f., übrigens auch schon „Psych. eth. Unters. z. Werttheorie“, S. 70. 2 Vgl. oben S. 58.