124 IV. Der Wertgedanke. an anderem Orte¹ darauf hinzuweisen, wie häufig dies tatsächlich der Fall ist. Viele Dinge haben Wert für mich, an die ich zur Zeit gar nicht denke, viele auch, an die ich vielleicht denke, bei denen ich aber gerade um die Eigenschaft derselben nicht weiß, die ihren Wert für mich begründet. Sehr wohl können ferner Mängel in der intellektuellen und eventuell auch in der emotionalen Veranlagung ein Subjekt an der Wertstellungnahme gegenüber einem Objekte hindern, das gleichwohl Wertobjekt für das Subjekt bleibt. Daß überdies bei solcher Auffassung der Wert in betreff seiner Beständigkeit oder Vergänglichkeit ganz ebenso der Beständigkeit, respektive Vergänglichkeit der Werterlebnisse folgen müßte, als wenn er mit den Erlebnissen kurzweg identisch wäre, versteht sich. Immer- hin wird auch rasche Vergänglichkeit dem Wesen des Wertes nicht kurzweg entgegen sein, vielmehr mit der Vergänglichkeit der den Wert begründenden Momente eventuell ganz wohl im Einklang stehen können. Andererseits aber wird etwas wie eine Tendenz zur Konstanz dem Werte kaum abzusprechen sein², die dem fließenden Charakter unserer inneren Erlebnisse im allgemeinen ganz und gar nicht gemäß ist. Eine weitere Schwierigkeit könnte darin zu liegen scheinen, daß vermöge der Mehrheit der Werterlebnisse demselben Objekt entweder gleichzeitig oder doch innerhalb recht enger Zeitgrenzen nicht nur ein einziger sehr vergänglicher Wert, sondern solcher Werte mehrere zu- kommen müßten. Näher besehen, ist hieran nun freilich beim persön- lichen Werte nur mit Unrecht Anstoß zu nehmen, da bei diesem mit der Eventualität mehr als eines Wertsubjektes und daher auch mehr als eines Wertes an einem und demselben Objekt durchaus gerechnet werden muß. Aber auch so wird man nach Obigem über die Unhaltbarkeit der in Erwägung stehenden Wertkonzeption außer jedem Zweifel sein. Nun scheint aber diese Konzeption leicht genug eine Korrektur dahin erfahren zu können, daß man an die Stelle der wirklichen die möglichen Werterlebnisse setzt und so vom Aktualwertbegriff zu etwas übergeht, was man ganz wohl den Potentialwertbegriff nennen kann. Wert käme dann einem Objekte zu, sofern es das Objekt möglicher Werterlebnisse ausmacht. Ein Wert in diesem Sinne braucht an der Vergänglichkeit der wirklichen Werterlebnisse nicht zu partizipieren und die am Subjekt sozusagen zufällig auftretenden Defekte und Anomalien werden, wo es nur auf die Möglichkeiten ankommt, nichts verschlagen; von der hier immer noch bestehenden Schwierigkeit hinsichtlich irriger Werterlebnisse aber mag abzusehen sein, falls auch sonst keine Deutung des Gedankens persönlichen Wertes davon frei zu machen ist, so daß hierauf besser erst zurückzugreifen sein wird, wo es nicht mehr auf die Beschreibung, sondern auf die Legitimierung dieses Gedankens an- zukommen hat. 1 „Psych. eth. Unters. z. Wert theorie", S. 24 f. 2 Dies die gesunde Grundlage der sonst. soviel ich sehe, doch recht an- greifbaren Konzeptionen F. Kruegers in „Der Begriff des absolut Wertvollen als Grundbegriff der Moralphilosophie", Leipzig 198.