122 III. Weiteres zur Wertpsychologie. sind, heißen, indes abgeleitete eben höchstens zur in Betracht gezogenen Zeit für apathogen gelten dürften. Es dürfte sich empfehlen, die Mannigfaltigkeit der Werthaltungen, die sich aus den eben durchgeführten Untersuchungen ergeben hat, nun noch in ausdrücklicher Nebeneinanderstellung zu überblicken. Den geeig- neten Ausgangspunkt ergibt Disjunktion der unvermittelten und der ver- mittelten Werthaltungen. Dann stellen sich die vermittelten Werthaltungen als entweder nur intellektuell oder auch als emotional vermittelt, anders ausgedrückt entweder als apathogen oder als pathogen vermittelt, die pathogen vermittelten entweder als atimologisch oder als timologisch vermittelt, die letzteren endlich als unübertragene oder als übertragene Werthaltungen dar. Die kontradiktorische Natur der betreffenden Zwei- teilungen gestattet dann natürlich auch die unvermittelten Werthaltungen zu den apathogenen sowie zu den unübertragenen Werthaltungen zu rechnen. 3 Zugleich legt die so gewonnene Einteilung eine einfache Anwen- dung auf einen verwandten Tatbestand nahe. Chr. v. Ehrenfels, der in verdienstvoller Weise den Gesetzmäßigkeiten nachgegangen ist, denen gemäß sich unser Werthalten verändert, hat mit Recht seine besondere Aufmerksamkeit dem Umstande zugewendet, daß übertragene Wert- haltungen sich in Eigenwerthaltungen umwandeln und insofern als „ab- geleitete Werthaltungen in einen Gegensatz treten können gegenüber Eigenwerthaltungen, die eine solche Entstehungsweise nicht zeigen und vergleichsweise als ursprüngliche Werthaltungen bezeichnet werden dürfen.¹ Der Vorgang ist, vielleicht in Unbekanntschaft mit den in Rede stehenden Untersuchungen, in Abrede gestellt worden,2 aber soviel ich sehe, angesichts der Tatsachen mit unzweifelhaftem Unrecht, so daß die Begriffe der ursprünglichen und abgeleiteten Werthaltung, außerdem die sorgfältige Auseinanderhaltung von Werthaltungsableitung und Wert- haltungsübertragung³ zu den bleibend wertvollen Errungenschaften moder- ner Werttheorie gezählt zu werden verdienen. Nun scheint aber ohne weiteres klar, daß, was ich eben als Werthaltungsableitung bezeichnet habe, sich unter günstigen Umständen nicht nur an übertragenen, sondern auch an anderweitig vermittelten Werthaltungen einstellt und diese in unvermittelte Werthaltungen verwandelt. Klar ist überdies, daß solche Ableitung nicht auf die eine oder andere der uns bekanntgewordenen Gestalten der Werthaltungsvermittlung beschränkt ist. Insofern sind dann auch die an den Vermittlungen bewährten Differentiationen auf die Ab- leitungen zu übertragen. Wir gelangen so zu Seitenstücken gegenüber den oben aufgezählten Disjunktionsgliedern, indem wir etwa konstatieren: Werthaltungen sind entweder ursprünglich oder abgeleitet, die abgeleiteten sind entweder apathogen oder pathogen abgeleitet, die pathogenen sind atimologisch oder timologisch abgeleitet; im Falle timologischer Ableitung endlich stehen den unübertragen abgeleiteten die übertragen abgeleiteten 1 Vgl. Chr. v. Ehrenfels, „System der Werttheorie", Bd. I, S. 136 f. 2 Von Th. Lipps, „Die ethischen Grundfragen", 2. oder 3. Aufl., S. 82. 3 Vgl. auch oben S. 108.