§ 5. Pathogene Werthaltungen. Unvermittelte Werthaltungen. 121 ich lege auf das Objekt O' Wert, weil es ein gewisses Moment O" an sich hat. Das kann natürlich leicht ein Fall der bereits behandelten Werthaltungsübertragung sein, falls damit nicht von vornherein nur gemeint ist, daß O' eine Hüllenbestimmung, O" dagegen eine Kern- bestimmung darstellt. Sehe ich aber recht, so gibt es doch auch noch den dritten Fall, daß O' wirklich das Objekt der resultierenden Wert- haltung ausmacht, diese aber doch nicht auf eine besondere Werthaltung des O" und auf die Erkenntnis dieser Werthaltung als Voraussetzung gegründet ist. Immerhin verrät die Umständlichkeit und Unsicherheit der Darlegung, daß man es hier offenbar mit der am wenigsten wichtigen Klasse von Werthaltungsvermittlungen zu tun hat. Dagegen hat man, wie sich sogleich zeigen wird, sehr guten Grund, die Vermittlungen, bei deren Nebenvoraussetzungen es in der angegebenen Weise emotional zugeht, in ihrer Eigenartigkeit festzuhalten. Ich versuche dies durch besondere Benennung zu tun, indem ich Vermittlungen dieser Art als pathogene Werthaltungsvermittlungen den sich rein intellektuell charak- terisierenden als apathogenen Werthaltungen gegenüberstelle. Was nun nämlich dem Pathogenen seine Wichtigkeit verleiht, das ist sein Gegensatz zum Apathogenen nicht innerhalb, sondern außerhalb des Gebietes der Werthaltungsvermittlung. Hier ist nämlich der Ort, nochmals besonders nachdrücklich darauf hinzuweisen, daß uns bereits an verschiedenen Stellen der vorangegangenen Untersuchungen, ins- besondere auch bei der Erwägung des Gedankens der doppelten Stellung- nahme¹ Werthaltungen begegnet sind, die außer der Gegenstandsvoraus- setzung nichts mehr aufweisen, was auf die Funktion einer Voraussetzung Anspruch erheben könnte, so daß man da eben nur von unvermittelten Werthaltungen reden darf. Die Unvermitteltheit besteht natürlich auch durchaus zu Recht, wenn die betreffende Werthaltung durch Ableitung aus ursprünglich vermittelten Werthaltungen hervorgegangen sein sollte; ihre Entstehungsgeschichte kann ja an der Tatsache nichts ändern, daß gegenwärtig zwischen Gegenstandsvoraussetzung und Werthaltung nichts Vermittelndes inmitten liegt. Unvermittelte Werthaltungen, wie immer sie sonst beschaffen sein mögen, treten dann mit den bloß intellektuell vermittelten zwanglos unter den Gesichtspunkt der apathogenen Wert- haltungen zusammen, solcher Werthaltungen also, denen als emotional letzten Tatbeständen eine sehr markante Stellung zukommt. Ganz deutlich ist dabei der Ausdruck ,apathogen" leider nicht, indem er geradezu auf die Genesis" hinzuweisen scheinen könnte, so daß dann abgeleitete Werthaltungen, da sie eben aus anderen Werthaltungen herrühren, gerade als „pathogen" bezeichnet werden müßten, was bei der Konzeption des Terminus nicht intentioniert ist. Will man indes in dieser Hinsicht besonders genau sein, so kann man etwa „essentiell Apathogenes“ von ,temporär Apathogenem" unterscheiden: essentiell apathogen können dann eben nur ursprüngliche Werthaltungen, die emotional unvermittelt " 1 Vgl. oben S. 74. 2 Vgl. oben S. 101.