§ 4. Ubertragung und Vermittlung bei Werthaltungen. 117 Daß eine solche Werthaltung seitens des Ego allemal tatsächlich vorkäme, widerspricht allzusehr der direkten Erfahrung, als daß man sich dabei aufzuhalten brauchte. Auf eine im Sinne der Vernünftigkeit anzusprechende objektive Berechtigung wäre dagegen sehr wohl Bedacht zu nehmen, wenn die Werthaltung des Alter als auf unpersönlichen Wert¹ gegründet angesehen werden dürfte. Was unpersönlichen Wert hat, hat eben zugleich persönlichen Wert für jedes beliebige Subjekt. Aber, zunächst äußerlich besehen, ist die Quasi-Übertragung bei Wert- haltungen, die uns jetzt beschäftigt, tatsächlich sicher nicht an die der theoretischen Sicherung noch so sehr bedürftige Unpersönlichkeit der Werte geknüpft und ist es auch wohl nicht einmal ethisch². Aber das Verhältnis der Quasiübertragung wäre dadurch auch innerlich nicht richtig gekennzeichnet. Was der Alter werthält, hält der Ego nicht deshalb wert, weil der Alter mit seiner Werthaltung recht hat, sondern weil der Umstand, daß er das O werthält, dem Ego das O wert macht, ganz ohne Rücksicht auf das für den Alter etwa maßgebende Warum. So stellt sich diese Quasiübertragung als ein Tatbestand dar, der keines- wegs allemal eintritt, vielmehr einer besonderen Disposition im Subjekte zu bedürfen scheint, die auch fehlen kann³ und ein wesentliches Moment in der ethischen Schätzung einer Persönlichkeit ausmacht. Wenn ich aber gemeint habe, diese Quasiübertragung oben auch als Subjektübertragung der Objektübertragung entgegensetzen zu dürfen, so muß nun noch ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß diese Entgegensetzung doch nur in ziemlich äußerlichem Sinne zutrifft. Von außen besehen ist es ja ohne Zweifel richtig, daß das O für den Ego Werthaltungsobjekt wird erst gleichsam durch den Alter hindurch, so daß dieser füglich als näheres Wertsubjekt bezeichnet werden kann gegenüber dem Ego als dem entfernteren Wertsubjekt. Genauere Betrachtung aber darf keinesfalls verkennen, daß der ganze Vorgang sich auch hier auf dem Objektgebiete abspielt und da nicht wohl als Übertragung charakterisiert werden kann. Der Ego hält nämlich das O wert, weil es die Eigenschaft hat, Werthaltungsobjekt für den Alter zu sein. Das ist eine genau ebenso objektive Bestimmung als etwa die, Ursache des P zu sein. Während aber zur eigentlichen Wertübertragung von P auf O noch erforderlich ist, daß P seinerseits wertgehalten wird, kann man in unserem gegenwärtigen Falle nicht sagen, vom Ego werde die Tatsache wertgehalten, daß der Alter das O werthält und deshalb halte nun auch der Ego das O wert Dem Schema O steht in Relation zu P, P wird wertgehalten" könnte man immerhin unseren Fall zu akkomodieren versuchen etwa in der Form: „O steht in der Relation R (diese wäre diesmal Identität) zu O, O wird (vom Alter) wert- gehalten". Aber was im Alter vorgeht, kann unter den hier vorliegenden "9 1 Vgl. „Über emotionale Präsentation", § 13, auch unten IV, § 7. 2 Vgl. „Ethische Bausteine" [eine unvollendet nachgelassene Arbeit]. 8 Vgl. A. Oelzelt-Newin, „Über sittliche Dispositionen", Graz 1892, S. 47 f., auch B. Groethuysen, „Das Mitgefühl", Zeitschr. f. Psychol., Bd. XXXIV, 1904, S. 183, 253.