§ 4. Übertragung und Vermittlung bei Werthaltungen. 113 Etwas komplizierter, aber auch dann nicht sonderlich verwickelt stellt sich die Sache, wenn man die gesetzmäßige Beziehung statt bloß auf die Objektive auf die in ihnen enthaltenen Objekte als Werthaltungs- objekte bezieht, indem man diese in der uns bekannten Weise als Güter, respektive Übel betrachtet und die Frage erhebt, unter welchen Umständen die Übertragung von diesen auf sozusagen neue Güter, wann auf neue Übel führt. Es ist dabei unerläßlich, die Qualität der in die Implikationsrelation eingehenden Objektive ausdrücklich in Betracht zu ziehen. Da Implikans wie Implikatum ebensowohl positiv wie negativ sein kann, so ergibt das vier Fälle, die sich wieder in zwei Klassen zusammenordnen, die man in ohne weiteres verständlicher Weise als Gleichnamigkeitsimplikationen (positives Implikans und positives Impli- katum, negatives Implikans und negatives Implikatum) und als Un- gleichnamigkeitsimplikationen (positives Implikans und negatives Impli- katum, negatives Implikans und positives Implikatum) bezeichnen kann. Nun ist die Situation auch hier unschwer zu übersehen. Impliziert das Sein eines O das Sein eines Gutes P, dessen Werthaltung dann den Charakter der Seinsfreude hat, dann ist O selbst ein Gut; impliziert sein Sein das Nichtsein des Gutes P, was mit Nichtseinsleid verbunden ist, so erweist sich O als Übel. Impliziert das Nichtsein des O das Sein des nämlichen Gutes P, was wieder mit Seinsfreude verknüpft ist, so betätigt sich O als Übel; impliziert das Nichtsein des O das Nichtsein des P, was natürlich Nichtseinsleid mit sich führt, so hat O wieder den Charakter des Gutes. Die analoge Anwendung auf die übrigen Fälle ist nun leicht und auch der Gesichtspunkt, unter dem die vorliegende Mannigfaltigkeit sich zusammenfassen läßt, bietet sich nun von selbst dar. Man kann einfach sagen: bei Gleichnamigkeits- implikation ist auch Stamm- und Übertragungswerthaltungsobjekt gleich- namig, indem die Übertragung von Gütern auf Güter, von Übeln auf Übel führt, bei Ungleichnamigkeitsimplikation findet auch zwischen Stamm- und Übertragungswerthaltungsobjekt Ungleichnamigkeit statt, indem die Übertragung von Gütern Übel, von Übeln Güter ergibt.[29] Was wir im vorangehenden als „übertragene Werthaltungen“ den „unübertragenen“ oder „Eigenwerthaltungen" haben gegenüber- stellen müssen, ist dadurch charakterisiert, daß dabei neben der psycho- logischen Gegenstandsvoraussetzung, die wir die wir Hauptvoraussetzung❝ nennen konnten, noch „Nebenvoraussetzungen" zur Geltung kommen, unter denen wir namentlich das Übertragungsurteil und das Übertragungs- supplement hervorzuheben hatten. Nun lehrt die Erfahrung, daß es noch andere Werthaltungen gibt, bei denen die Gegenstandsvoraussetzung ebenfalls nicht die einzige Voraussetzung ausmacht, die sich aber von den übertragenen Werthaltungen dadurch charakteristisch unterscheiden, daß nicht zwei Werthaltungsobjekte daran beteiligt sind, sondern nur eines, demgemäß natürlich sowohl eine Übertragungsrelation als ein diese erfassendes Übertragungsurteil fehlt, so daß, was zur Hauptvor- aussetzung noch hinzukommt, nur den Charakter dessen aufweist, was wir oben das Werthaltungssupplement genannt haben. Läßt sich der Meinong, Zur Grundlegung der allg. Werttheorie. 8