98 III. Weiteres zur Wertpsychologie. daß der, dem in einer Hinsicht ein Glück zuteil wird, darum noch durchaus nicht in jeder Hinsicht vom Glücke begünstigt sein, also der Gesamt- heit seiner gegenwärtigen oder vielleicht auch seiner vergangenen Lebens- umstände nach noch durchaus nicht den Neid der Götter auf sich ziehen muß. Noch näher liegt aber ein anderer Sinn. Wer Glück hat, braucht sich darum auch in der betreffenden Hinsicht noch keineswegs glücklich zu fühlen, sofern er zum Beispiel an sein Glück nicht denkt oder sich sonst in einer Gemütsverfassung befindet, die das dem Glückstatbestand konstitutive Lustgefühl zur Zeit nicht aufkommen läßt. Im Gegensatz hierzu wird dann derjenige glücklich heißen dürfen, der das betreffende Gefühl wirklich erlebt, und vielleicht ist es nicht unangemessen, vom Standpunkte des Subjektes dessen Glück von dessen Glücklichkeit zu unterscheiden. Für letzteren Tatbestand hat sich wohl mehr die Theorie als die Praxis auch des Wortes Glückseligkeit" bedient, gegen das, wenn man es mit Wortbildungen wie „trübselig“, „mühselig“, „saum- selig und dergleichen zusammenhält, etymologisch kaum etwas Triftiges einzuwenden ist, das aber gleichwohl vermöge der Bedeutung von „Seligkeit“ und „selig" ohne Komposita leicht den Eindruck einer unmotivierten Übersteigerung macht, um dessen willen das anspruchs- losere Wort „Glücklichkeit“ wohl den Vorzug verdienen wird. 29 Diese Glücklichkeit steht nun wieder zu Gut und Übel in einer besonderen Relation, auf die hier noch kurz hinzuweisen ist. Glück bedeutet ohne Zweifel jederzeit eine Glücklichkeits-, Unglück eine Unglücklichkeits-Chance. Um so paradoxer könnte es scheinen, daß nicht auch das Gegebensein eines Gutes jederzeit eine Glücklichkeits-, das Gegebensein eines Übels eine Unglücklichkeits-Chance in sich schließt. [Ist etwas ein Gut insofern, als sein Dasein Freude mit sich führt, so bedeutet es eine Glücks-Chance, genauer eine Chance für das Eintreten dessen, was wir eben Glück genannt haben. Dagegen bedeutet ein Objekt, dessen Gutcharakter darin zutage tritt, daß sein Nichtdasein mit Leid verbunden ist, insofern eine Unglücks-Chance. Beides wird besonders deutlich, wo das bezügliche Gegengefühl ausfällt: am auffallendsten sind in dieser Hinsicht wieder die Bedürfnisse der Verwöhnten, die sich in der Tat vorwiegend als Unglücksquellen geltend machen, so daß bei Gütern dieser Art der Ausdruck Unglücksgüter" nicht ohne charakterisierenden Wert ist. Ihnen könnte man dann die Güter der anderen Art als Glücksgüter gegenüberstellen, falls man vorübergehend von der sprachüblichen Bedeutung dieses Wortes absehen mag, in der wieder zunächst etwas von Zufälligkeit, respektive Äußer- lichkeit zum Ausdruck gelangen soll. Analoge Betrachtungen lassen sich dann natürlich auch in Bezug auf die beiden Fälle des Übels anstellen. Ist etwas darum ein Übel, weil sein eventuelles Dasein Leid mit sich führt, so bedeutet dies eine Unglücks-, ist es ein Übel inso- fern, als sein Nichtdasein erfreulich ist, so bedeutet es eine Glücks- Chance. Analog zum Obigen könnte man hier Unglücksübel und Glücks- übel einander gegenüberstellen. Im ganzen dürften die meisten Güter Glücksgüter, die meisten Übel Unglücksübel sein; doch kommen, soweit "