76 III. Weiteres zur Wertpsychologie. Die im vorigen Kapitel gewonnene Charakteristik der Wertgefühle, die in der Greifbarkeit. ihrer Bestimmungen geradezu definitorischen Ansprüchen genügt, erkauft diesen Vorzug, wie das ja auch sonst öfter begegnet, durch ihre Äußerlichkeit. Denn sie hält sich nur bei den Gegenstandsvoraussetzungen, respektive Voraussetzungsgegenständen auf, ohne auf die Beschaffenheit der betreffenden Gefühle selbst ein- zugehen. Wer versuchen will, diesem Mangel abzuhelfen, dem bieten sich als heuristische Behelfe von selbst die nun auch dem Gefühle gegenüber in Betracht zu ziehenden drei Momente „Akt, Inhalt und Gegenstand" dar, die der psychologischen Analyse zunächst auf dem intellektuellen Gebiete, also beim Vorstellen und Denken, so gute Dienste geleistet haben. Nur könnte man, dem Herkommen entsprechend, leicht der Meinung sein, mindestens vom Inhalte oder doch vom Gegenstande der Wertgefühle sei im vorangehenden reichlich die Rede gewesen, hinsichtlich des Aktes aber hätten die Wertgefühle mit allen übrigen Gefühlen eben die ihnen sämtlich wesentliche Gegensätzlichkeit von Lust und Unlust gemein, eine anderweitige qualitative Verschiedenheit aber komme bei Gefühlen überhaupt nicht vor, sondern höchstens (auch das wird in Frage gestellt) eine quantitative, indes alles übrige an Differentiationen eben dem durch die intellektuellen Voraussetzungs- erlebnisse hinzugebrachten Inhalte „oder" Gegenstande beizumessen wäre. Eine eingehende Untersuchung dieser wichtigen Dinge, so nötig sie auch sein mag, würde hier zu weit führen; vielleicht darf ich mich indes auf eine skizzenhafte Formulierung des mir sachgemäß scheinen- den Standpunktes um so leichter beschränken, als ich mindestens einiges Eingehendere hierüber bereits an anderem Orte¹ dargelegt habe. Wir beginnen mit der Erinnerung daran, daß die Wertgefühle so unselbständige Erlebnisse sind wie Gefühle sonst und daß diese Unselbständigkeit sie in ihrem Auftreten unvermeidlich an intellektuelle Erlebnisse bindet. Es liegt nahe, das Verhältnis der Gefühle zu diesen intellektuellen Erlebnissen kausal zu denken; aber man möchte kaum gewährleisten können, daß z. B. eine Geschmacksempfindung der durch sie ausgelösten Geschmackslust jedesmal in der Weise zeitlich voran- gehen müßte, in der die Ursache vor der Wirkung sein muß. Es hat mir daher einst2 minder präjudizierlich geschienen, hier von Voraus- setzungen, als von Ursachen der Gefühle zu reden, näher, da auch an physischen Voraussetzungstatbeständen kein Mangel sein wird, von psycho- logischen Voraussetzungen. Zu einer weiteren differentiativen Bestim- mung gibt bei ihnen der Umstand Anlaß, daß sie den auf sie gestellten Gefühlen gleichsam ihren Gegenstand mitteilen. Wir konnten im voran- gehenden oft und ungezwungen vom Wertobjekte und dann genauer vom Objekte unserer Wertgefühle, nicht minder von dem der ästhetischen Gefühle oder der sinnlichen Gefühle handeln. Dem Herkommen, Inhalt und Gegenstand nicht oder nicht sorgfältig auseinander zu halten, ist 1 In „Über emotionale Präsentation". 2 „Psych. eth. Unters. z. Werttheorie", S. 34.