§ 7. Inhaltsgefühle und Aktgefühle 63 Wissensgefühlen nicht in dem Maße entgegengesetzt, wie inbetreff des Denkinhaltes. Tritt nämlich bei ihnen Ungewißheit an Stelle der Gewiß- heit, so wird aus dem eigentlichen Wertgefühl die emotionale Grund- lage von Hoffnung oder Furcht'; tritt die Annahme an die Stelle des Voraussetzungsurteiles, so verwandelt sich das Ernstwertgefühl in ein Phantasiewertgefühl. Aber den Charakter des Werterlebnisses behält, was so resultiert, immer noch, indes der Annahme gegenüber von Wissensgefühl kaum in irgend einem verständlichen Sinne mehr die Rede sein könnte. Was sich so in betreff eines herrschenden Anteils von Voraus- setzungsakt, respektive Voraussetzungsinhalt herausstellt, findet nun auch in der Tatsache seine Bekräftigung, daß eine analoge Anteilsverschieden- heit wie an den psychologischen Voraussetzungen der Denkgefühle so auch an jenen der Vorstellungsgefühle vermutet werden muß. Dies ergibt sich, wenn man hier die ästhetischen Gefühle den sinnlichen gegenüberstellt. Dabei kann die Frage, ob alle ästhetischen Gefühle als Vorstellungsgefühle zu betrachten sind², unerwogen bleiben: ohne Zweifel sind zum Beispiel die ästhetischen Gefühle an Raumgestalten, Farben, Tönen und andere Vorstellungsgefühle [19]. Bei ihnen ist es selbstverständlich, daß für ihren Ausfall die vorgestellten Gegenstände und sonach die dem Erfassen dieser Gegenstände zugrunde liegenden Inhalte wesentlich sind, indes die relative Gleichgültigkeit des Vor- stellungsaktes hier daraus erhellt, daß Melodien oder Ornamente gün- stigen Falles nicht nur gefallen, wenn man sie hört, respektive sieht, sondern auch, wenn man sie in der Phantasie vergegenwärtigt. Ganz anders verhalten sich die sinnlichen Gefühle zur Abänderung des Voraus- setzungsaktes von der Ernst- in die Phantasievorstellung: sie gehen, falls sie nicht ganz verschwinden, in so wenig deutliche Phantasie- gefühle über, daß es meist recht schwer ist, selbst heftige sinnliche Schmerzen in der Erinnerung auch nur mit einiger Anschaulichkeit festzuhalten. Das hat dann zugleich noch darin seinen Grund, daß die Gegenstände dieser Gefühle oft auch unter den für die Gefühle gün- stigen Umständen, nämlich wenn die Voraussetzungsvorstellungen durch die Beschaffenheit ihrer Akte als Ernstvorstellungen charakterisiert sind, so wenig deutlich hervortreten und dadurch die relative Unwesentlich- keit ihrer Inhalte verraten. So kommt es auch, daß man selbst bei heftigen sinnlichen Schmerzen so leicht einen ihnen eigenen Gegenstand vermißt, dort aber, wo man einen solchen doch herausfinden zu können meint, ein Verständnis dafür, warum gerade er von solchen Schmerzen begleitet ist, in besonders geringem Maße aufzubringen vermag. Anderer- seits würde man bei lustvollen Körper- oder Temperaturempfindungen vergebens eine Luststeigerung dadurch herbeizuführen versuchen, daß 1 Vgl. „Psych. eth. Unters. usw.", S. 56 ff., vgl. auch unten II, § 9. 2 Vgl. Über emotionale Präsentation". Sitzungsberichte d. Akad. d. Wiss., Wien 1917, Philos. hist. Kl., Bd. CLXXXIII, S. 87 f. " 3 Über Inhalt und Gegenstand vgl. „Über Möglichkeit und Wahrschein- lichkeit" [Register].