62 II. Die Werterlebnisse. Hauptsache einräumt und dieser Hauptsache auch die Hauptuntersuchung zuwendet. Wollen wir inzwischen sowohl Ernst- als Phantasiegefühle in Rücksicht ziehen, dann bietet uns die Möglichkeit, Urteilen und Annehmen in dem Ausdrucke „Denken zusammenzufassen¹, ein Mittel, die Wert- gefühle als Denkgefühle zu charakterisieren.[15] § 7. Inhaltsgefühle und Aktgefühle. Inzwischen ist durch diese Bestimmung die erforderliche Deter- mination der sich als Werterlebnisse darstellenden Gefühle noch immer nicht erreicht. Sind nämlich auch alle Wertgefühle Denkgefühle, so keineswegs umgekehrt auch alle Denkgefühle Wertgefühle. Auf das Bedürfnis, in der Differentiation noch weiter zu gehen, fand ich mich seinerzeit durch die Tatsache hingewiesen, daß manche Urteilsgefühle eine auffallende Gleichgültigkeit gegen den Wechsel in der Qualität der ihnen zu Grunde liegenden Urteile aufweisen, indes andere auf einen solchen Wechsel, wenn man so sagen darf, auch mit einem Wechsel in der Gefühlsqualität reagieren. Nur Gefühle dieser zweiten Art sind Wertgefühle, denen ich die Gefühle erster Art als Wissensgefühle ent- gegengestellt habe. [16] Ein tieferer Einblick in das Wesen des hier vor- liegenden Gegensatzes ist indes erst zu gewinnen, wenn man, in der Hauptsache dem Vorgange St. Witaseks folgend, neben den Urteilen auch die Annahmen in Betracht zieht, andererseits merkwürdige Analogien mit berücksichtigt, die nicht mehr dem Gebiete des Denkens, sondern dem des Vorstellens angehören. Es stellt sich dabei heraus, daß der in Rede stehende Gegensatz auf den Anteil zurückgeht, der in jedem der beiden Fälle einerseits dem Urteilsakte, andererseits dem Urteils- inhalte an dem resultierenden Gefühle zukommt. Unterscheiden sich nämlich vor allem Urteil und Annahme von einander durch die Eigenart des dort und hier vorliegenden Denkaktes, indes eventuell nicht nur der zugrunde liegende Vorstellungs-, sondern auch der Denkinhalt ganz wohl übereinstimmen können, so verrät sich in der eben erwähnten Empfindlichkeit der Wertgefühle für den Wechsel von Ja und Nein an dem Urteile, auf das sie gegründet sind, [17] ein wesentlicher Anteil des Urteilsinhaltes, [18] indes die mindestens relative Unempfindlichkeit dafür bei den Wissensgefühlen auf den Mangel an einem solchen Anteil schließen läßt. Damit kontrastiert bei den Wissensgefühlen deutlich deren Empfindlichkeit gegen Veränderungen im Denkakte, indem, falls hier das Urteil der bloßen Annahme platz- macht, das Gefühl ganz oder nahezu ganz erlischt, übrigens auch dann schon eine wesentliche Modifikation erleidet, wenn Ungewißheit an Stelle der Gewißheit getreten ist. Die Wertgefühle zeigen sich, was ihre Empfindlichkeit gegen Veränderungen des Denkaktes anlangt, den 1 Vgl. St. Witasek, „Grundlinien der Psychologie", Leipzig 1908. 2 Vgl. „Psych. eth. Unters. usw.“. 3 Vgl. "Grundzüge der allgemeinen Ästhetik", S. 195 ff., auch „Grundlinien der Psychologie", S. 322 ff. 4 Vgl. Über Annahmen" 2, § 59.