§ 6. Denk- und insbesondere Urteilsgefühle. 59 » Man hat versucht, die Schwierigkeiten, auf die die Kausalauf- fassung sonach zu führen scheint, durch die Aufstellung zu beseitigen, es komme, um den Satz auszusprechen: »dies hat Wert«, nicht darauf an, ob man augenblicklich Lust hat, das heißt, augenblicklich Lust- wirkung erfährt, sondern nur darauf, daß man den Gegenstand als lustwirkend kennen gelernt hat, also weiß, daß er Lust wirken kann“.¹ Und in der Tat kann nicht bezweifelt werden, daß nicht nur tatsächliche, sondern auch mögliche Lustkausation Wert mit sich führt. Aber möglich und wirklich stehen dabei doch nicht etwa auf gleichem Niveau, so daß es etwa nur auf das Kausalmoment ankäme und insbesondere gibt es Möglichkeiten in Menge, die viel zu entlegen sind, um einen nennens- wert ins Gewicht fallenden Wertbetrag zu ergeben. Dem Wertgefühle bei fehlender, eigentlich also nur eingebildeter Ursache, wie wir sie im Beifallsbeispiel angetroffen haben, ist in dieser Weise überhaupt nicht Rechnung zu tragen. Wir haben bisher ausschließlich existierende Wertobjekte in Betracht gezogen, wissen aber schon von unseren ersten hierhergehörigen Er- wägungen her, daß es auch Wertgefühle gibt, die sich auf Nicht- existierendes beziehen. Es ist nun ohne weiteres klar, daß jeder solche Fall die Kausalbetrachtung a limine ausschließt. Kausieren kann ja nur, was existiert; wir können aber auch den Fall der Nichtexistenz als Wertfall in Betracht ziehen. Allerdings ist mir das Recht, dies zu tun, in Abrede gestellt worden. Ich hatte behauptet: „Nichtexistenz der Krankheit könne Wert haben. Dem wird aber entgegengehalten: „»Nicht- existenz der Krankheit« sagt doch zunächst gar nichts, es wird kein bestimmtes Gegebenes getroffen. Daher kann allerdings Nichtexistierendes (Nichtwirkendes, Nichtwirkliches) nicht »Wert« haben, weil das, was >>Wert<< hat, stets Wirkendes = Wirkliches = Existierendes ist. Meint Meinong dennoch: Nichtexistierendes habe »Wert«, so meint er unter Nichtexistenz der Krankheit sofort schon ein Bestimmtes, nämlich Gesund- heit, also ein Existierendes, also Wirkliches...".2 Hier mit Nichtexistenz der Krankheit Existenz der Gesundheit „gemeint“ zu haben, muß ich durch- aus in Abrede stellen. Noch wichtiger scheint mir indes, daß jeder Grund fehlt, warum ich solches etwa hätte meinen sollen. Positiver und negativer Sachverhalt gestatten hier ersichtlich eine völlig gleiche Behandlung. Kein günstigeres Schicksal hat die Kausalauffassung von der Seite solcher Wertgefühle zu erwarten, die überhaupt nicht auf Existierendes, sondern auf Bestehendes, respektive Nichtbestehendes gerichtet, wo also die Wertobjekte idealer Nutur sind. Kausalität betrifft ausschließlich Existierendes: was also nicht real ist, kann für eine Kausalbetrachtung von vornherein nicht in Frage kommen. 3 Kaum mehr als eine nun schon völlig entbehrliche Zugabe ist es, auch auf jene Fälle von Wertstellungnahme hinzuweisen, wo das 1 E. Heyde, „Grundlegung der Wertlehre", S. 95. 2 E. Heyde, Grundlegung der Wertlehre", S. 106. "9 Über den Gegensatz zwischen Idealem und Realem vgl. „Über Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit" [Register].