§ 5. Wertgefühle als Seinsgefühle. 51 Werterlebnis ist, wenn es auch unter Umständen in gewissem Sinne die Grundlage eines solchen Erlebnisses abgeben mag. In derselben Weise kann eine Speise ganz wohl Wert haben, weil sie wohlschmeckend ist; dennoch ist der Wohlgeschmack, auch wenn man daran nur die Gefühlsseite in Betracht zieht, kein Werterlebnis. Ganz das nämliche gilt von ästhetischen Gefühlen, so grundverschieden sie sonst von den sinnlichen Gefühlen sein mögen. Auf ein Gemälde etwa wird man eventuell hohen Wert legen um der Gefühle willen, die es im Beschauer wachruft; aber diese Gefühle sind doch keines- wegs das, in dem das „mir wert sein" besteht. Sind also auch unsere Werterlebnisse zunächst Gefühle, so sind doch nicht umgekehrt alle Gefühle Werterlebnisse. Die Gefühle, die es sind, können passend Wertgefühle heißen, und nach ihrer psychologischen Natur ist jetzt die Frage. In ein einigermaßen anderes Licht könnte diese Angelegenheit durch die jetzt von Th. Haering vertretene¹ Auffassung gerückt erscheinen, der zufolge das Gesamtgebiet der Werte sich in Teilgebiete der ökono- mischen, ethischen, ästhetischen und hedonischen Werte zerlegt. Dem- nach müßte das Gefühl, das der warme Ofen oder das künstlerisch wirksame Bild erregt, doch ebenfalls ein Wertgefühl sein, unbeschadet der von unserem Autor ausdrücklich² offen gelassenen Möglichkeit, daß diese Objekte um dieser Werte willen noch einmal gewertet werden können. Und in der Tat ist, von ästhetischen oder logischen Werten zu reden, durchaus sprachgemäß und ich selbst bin für eine Einteilung zunächst der Gefühle, dann ihrer Gegenstände eingetreten³, die auf psychologischer Grundlage sich nahezu derselben Gedanken und Termini bedient. Aber was auf diese Weise zu determinieren ist, hat mir nicht der Wert zu sein geschienen, wenigstens nicht der Wert im eigentlichen, sondern nur in einem einigermaßen erweiterten Sinn, dem gegenüber mir ein Ausdruck wie „Dignitativ" oder günstigen Falles Dignität“ vor Mißverständnissen sicherer geschienen hat.5 Natürlich tun auch hier die Namen nichts oder nicht viel zur Sache. Aber die Sache, nämlich die des natürlichen Wertgedankens, schiene mir berührt, wenn durch ausschließlich weiten Gebrauch des Wortes „Wert" der engere und, wie mir scheint, eigentliche, zugleich sehr charakteristische Sinn dieses Wortes verloren ginge. Die Annehmlichkeit des warmen Ofens oder der wohlschmeckenden Speise wird kein ungezwungen Redender einen Wert nennen, sondern höchstens die Grundlage für einen solchen, und mit der Schönheit des Bildes wird es auch nicht anders bewandt sein, indes man einerseits einer echten Perle, andererseits einer guten Handlung 1 Vgl. dessen „Untersuchungen" und nunmehr auch die „Beiträge“. 2 Vgl. z. B. „Beiträge usw.", S. 4 f. 3 Für die Psychologie und gegen den Psychologismus in der allgemeinen Werttheorie", Logos, Bd. III, S. 1-14; „Über emotionale Präsentation", § 10 f. 4 Nur nahezu, sofern die beiden Klassen des Ökonomischen und Ethischen bei mir in die eine Klasse des „Timologischen“ („Emotionale Präsentation“, S. 179) vereinigt worden sind. Vgl. Über emotionale Präsentation", S. 113, 177.