§ 3. Die Wertgefühle. Hauptwerterlebnisse und Nebenwerterlebnisse. 45 und natürlich sich an Gefühle, namentlich Phantasiegefühle, Begehrungen anschließen. Dabei betätigt sich das Begehren nicht selten als das bei weitem folgereichere der beiden Erlebnisse, was schon in dem Umstande zur Geltung kommt, daß alles Wirtschaften auf Begehren zurückgeht. Die enge Beziehung des Begehrens zum Werte aber zeigt sich schon in dem Umstande, daß die Wertgröße nicht so sehr mit dem einzelnen Gefühle als mit der Motivationskraft der zusammengehörigen Gefühle¹ Hand in Hand geht, die Motivation aber, die hier in Betracht kommt, natürlich Sache der Begehrungen ist. In solcher Zusammengehörigkeit wird mit Recht ein Impuls dafür zu sehen sein, im Begriffe des Wertes das Begehren so wenig vom Fühlen zu trennen, als man etwa im Begriffe des Lebens die physische und die psychische Seite trotz ihrer hier um so vieles weitergehenden Verschiedenartigkeit von einander loszulösen pflegt. Auch wird kaum daran zu zweifeln sein, daß, wenn unter sonst gleichen Umständen einmal bloß Gefühl, das andere Mal Gefühl und Begehrung gegeben ist, im letzteren Falle, etwa bei größerer Aktivität des Subjektes, ein Tatbestand gesteigerten Wertes vorliegen wird. Tatsachen dieser Art scheinen mir heute 2 darzutun, daß die Position von Werterlebnissen neben den Gefühlen auch den Begehrungen eingeräumt werden muß. Dieser Position versucht jetzt R. Müller- Freienfels terminologisch Rechnung zu tragen, indem er das Wert- erlebnis in ganz technischer Intention mit dem außertechnisch nicht allzu selten (z. B. auch in den gegenwärtigen Ausführungen ganz unabhängig vom genannten Autor) verwendeten Terminus „Stellungnahme" belegt.3 Ohne Zweifel hat den Autor bei der Wahl dieses Ausdruckes die an sich vollberechtigte Scheu vor einseitigem Schematisieren der psycho- logischen Beschreibung mit bestimmt. Aber Unschärfe der Charakteristik wäre kein geringeres Übel, und „Stellungnahme" gibt es, wie übrigens auch der Autor kaum übersieht, auch auf rein intellektuellem Gebiete, bei Urteil und Annahme, ohne daß durch solche Stellungnahme für sich allein je ein Werterlebnis ausgemacht würde. Zudem liegt im Sinne des Wortes, Stellungnahme" ja doch jedenfalls eine Metapher, noch dazu eine für Werterlebnisse unter Umständen viel zu aktiv gefärbte, die zum technischen Ausdruck zu verwenden sonach denn doch schweren Bedenken ausgesetzt bliebe". Man wird aber eines einheitlichen Ter- minus hier wohl auch ohne Schaden entraten können. Übrigens ist aber die Einbeziehung des Begehrens unter die Wert- erlebnisse nicht so zu verstehen, als ob absolute Parität der beiden 1 Vgl. „Über Werthaltung und Wert", Archiv für systematische Philosophie, Bd. I, 1895, S. 327 ff. 2 Im Gegensatze zu dem noch in der zweiten Auflage des Buches „Über Annahmen", S. 326 ff, eingenommenen Standpunkte, vgl. übrigens schon „Für die Psychologie und gegen den Psychologismus usw.", Logos, Bd. III, S. 4. 3 ,,Grundzüge einer neuen Wertlehre", Annalen der Philosophie, Bd. I, 1919, S. 322 ff.. 328 f. u. ö. 4 Vgl. a. a. O., S. 327, 330. 5 Über die von R. Müller-Freienfels angesprochene Verdoppelung der ,,Stellungnahme", vgl. unten II, § 10.