42 II. Die Werterlebnisse. können. Und in derselben Weise bedarf das Begehren seiner gegen- ständlichen Voraussetzungen; so wenig der zu begehrende Gegenstand fehlen kann, so wenig das emotionale Motiv, das sich ungezwungen dahin charakterisieren läßt, daß das Objekt dem nicht gleichgültig sein darf, um dessen Begehren es sich handelt. Hier findet sich, soviel ich sehe, jede ausreichend aufmerksame Betrachtung vor ein Wertlegen gestellt, dessen Stellung am Anfang der Reihe durch allfällige spätere Komplikationen nicht in Frage zu ziehen ist.1 Inzwischen zeigt sich auch die direkte Erfahrung keineswegs der versuchten Wertdefinition günstig, selbst wenn an der Beschränkung auf die eben qualitativ genannte Begehrbarkeit festgehalten wird. Das erhellt deutlichst aus der Tatsache, daß, ob und in welchem Stärke- grade jemand ein Objekt begehren kann, von Dispositionen dieser Person abhängt, die mit den Dispositionen dazu, auf den Wert des Objektes zu reagieren, durchaus nicht zusammengehen müssen. Schon an anderem Orte² hatte ich Veranlassung, darauf hinzuweisen, wie wenig dauernde oder vorübergehende Passivität eines Subjektes dessen Wertverhältnis zu den Objekten seiner Umgebung aufhebt. Aber auch Erfahrungen von noch viel alltäglicherer Art verdienen hier heran- gezogen zu werden. Jedermann hat unzählige Male an sich selbst erlebt, wie weit sein Begehren unter Umständen hinter seinem Wertlegen zurückbleibt. Ein Freund schenkt mir einen Kunstgegenstand, den ich oft neidlos und wunschlos in seinem Besitze gesehen habe, und das Geschenk freut mich: daß es in diesem Falle Wert für mich hat, wird kaum jemand bezweifeln. Aber der hier durch die Schenkung zu Stande kommende Aktualwert verdient nicht deshalb Beachtung, weil er, wie jeder Aktualwert die potentielle Begehrbarkeit ohne determinierenden Beisatz ausschließt; hiervon war ja schon oben die Rede. Dagegen darf man sich auf ihn berufen als auf einen Beweis dafür, daß der Potentialwert auch schon vor der Schenkung nicht gefehlt haben kann. Gleichwohl konnte damals von qualitativer Begehrbarkeit nicht die Rede sein, sofern das Begehren sich auch dann nicht eingestellt hat, wenn etwa meine Aufmerksamkeit durch Befragen oder sonstwie ganz direkt auf die Eventualität eines Begehrens gerichtet worden ist. Kann ich an das Objekt und wohl gar an das Begehren des Objektes denken, ohne zu begehren, so wird damit wohl festgestellt sein, daß dem Objekte die Fähigkeit fehlt, von mir begehrt zu werden; und da das Existenz- moment hier nicht in Betracht kommt, wird damit die Frage nach der qualitativen Begehrbarkeit für negativ beantwortet gelten müssen. In ähnlicher Weise weiß selbst der günstigst Gestellte von tausend Dingen, die „gut und teuer", auch wohl sogar „wünschenswert“ sind, 1 Gegen Th. Haering, „Beiträge zur Wertpsychologie, insbesondere zum Begriff 'der logischen oder Erkenntniswertung", Archiv f. d. ges. Psychologie, Bd. XXXVII, 1917, S. 51, auch A. Messer, „Psychologie", Stuttgart und Berlin 1916, S. 308. 2 „Über Annahmen“,2 S. 327 f.