36 III. Die Werterlebnisse. einem emotionalen Erlebnis, das, wie noch zu berühren sein wird, als Gefühl mindestens in weiterem Wortsinne, genauer als Phantasiegefühl wird bezeichnet werden müssen. Ausreichend weite Wortanwendung vorausgesetzt, wird also auch daraus der Position, Werterlebnisse seien Gefühle, nicht leicht eine Einwendung erwachsen. Nun setzt sich aber der Wert auch dann, wenn man so sagen darf, in ein Erlebnis um, wenn zum Beispiel unser Musiker sein Instru- ment wirklich verliert, indem es etwa einer Feuersbrunst oder kriege- rischen Ereignissen zum Opfer fällt. Auch davon kann der Musiker, wenn er sonst danach gestimmt ist, einmal rein intellektuell Kenntnis nehmen; dann reagiert er aber eben wieder nicht mehr unmittelbar auf das, was an der Sachlage zum Wert gehört. Dies tut er dagegen, sofern ihm der Verlust leid ist, sofern er über diesen trauert, oder wie man sein Gefühl sonst meint besser beschreiben zu können. Auch hier kann der Gedanke, das Verlorene wäre noch nicht verloren, zu Phantasie- gefühlen entgegengesetzten Vorzeichens führen. Das Gebiet der Gefühle im weitesten Sinne wird aber auch hier durch die Werterlebnisse nicht überschritten. Zweifelhaft könnte die Berechtigung, unter solchen Um- ständen von einem Werterlebnis zu reden, nur in einer, immerhin einer ziemlich äußerlichen Hinsicht sein, sofern wieder einmal die Unsicher- heit des Sprachgebrauches einige Schwierigkeit bereitet. Kann nämlich, das ist die Frage, der Musiker von seinem verlorenen Instrumente sagen, daß es für ihn Wert hat? Wäre es nicht richtiger zu sagen, daß das Instrument für ihn Wert hätte, wenn es eben noch vorhanden, respektive in seinem Besitz wäre? Man wird die im Indikativ gelegene Erweiterung des Wortgebrauches nicht verkennen, sie aber kaum ab- lehnen dürfen; von der Natur des darin getanen Schrittes wird in der Folge noch ausdrücklich zu handeln sein. Wird er aber zugelassen, dann ist auch gegen Ernstleid und Phantasiefreude als Werterlebnisse nichts einzuwenden. Ein neues und in hohem Grade beachtenswertes Moment macht sich nun weiter geltend, wenn etwa das Beispiel vom Saiteninstrumente noch einer, und zwar, wie es scheinen könnte, einer gar nicht sehr erheblichen Modifikation unterzogen wird.¹ Gesetzt, das Instrument ist nicht vernichtet, sondern dem Besitzer bloß entwendet worden, so daß dieser mit der Eventualität rechnen kann, es wieder in die Hände zu bekommen. Dann wird leicht an die Stelle bloß passiven Verhaltens ein aktives treten: der Musiker wird das Instrument wiederzugewinnen wünschen, wohl gar es geradezu wiedergewinnen wollen; an Stelle des bloßen Fühlens ist hier ein Begehren getreten. Natürlich liegt darin keinerlei Hindernis, den eben erwähnten weiteren Wortgebrauch auch hier gelten zu lassen und auch jetzt vom Werte des Instrumentes zu reden. In diesem Sinne darf es dann für ziemlich selbstverständlich gelten, daß ich nichts begehren kann, was keinen Wert für mich hätte.2 • 1 Ein viertes zu diesem dritten Paradigma kommt unten II, § 3 zur Sprache. 2 Vgl. „Über Annahmen"2, S. 305 ff.