§ 1. Paradigmen konkreter Wertstellungnahme. 35 man glauben, daß, was noch hinzukommt, ebenfalls innerhalb der Sphäre des Intellektuellen liegt? Durchmustern wir dieses Gebiet auch noch so genau, wir können nichts darin antreffen, was dem Gegensatz des Wert- vollen zum Unwertvollen, oder auch dem des gleichviel in welchem Sinne Wertvollen zum Wertlosen, das heißt Wertindifferenten zur Grund- lage dienen könnte. Intellektuell erfaßbar freilich sind in gewisser Weise sicher auch diese Gegensätze sowie, cum grano salis wenigstens, am Ende alles. Hier aber geht die Frage dahin, ob, um Werttatbestände intellektuell erfassen zu können, überhaupt anderes als Intellektuelles nicht erlebt zu werden, respektive erlebt worden zu sein braucht, in der Weise etwa, wie man, um Physisches zu erfassen, eben nur die gegen- ständlich auf Physisches gerichteten intellektuellen Erfassungsmittel, zuletzt also die Empfindungen, erlebt. Daß auf die so gestellte Frage mit Nein geantwortet werden muß, darüber ist heute wohl nahezu alle Werttheorie in erfreulichster Weise einig: nicht leicht zweifelt jemand daran, daß wir, um mit dem Werte sozusagen in Fühlung gelangen zu können, auch etwas Außerintellektuelles, also etwas im weitesten Sinne des Wortes Emotionales2 erleben müssen. Da aber das intellektuelle Erleben dem Wertindifferenten gegenüber augenscheinlich dieselbe Stellung hat, wie dem inbetreff des Wertes Charakterisierten gegenüber, so darf behauptet werden, daß, was dem Werte eng genug zugeordnet ist, um als Wert- erlebnis bezeichnet werden zu dürfen, ganz wesentlich emotionaler Natur sein muß. Darf diese emotionale Natur unbedenklich sämtlichen Werterleb- nissen ohne Ausnahme nachgesagt werden, so mag es ratsam sein, sich vorerst nur auf Fälle von der Beschaffenheit der erwähnten Paradigmen zu beschränken, wenn man konstatiert, daß die beim Verhalten zu diesen sich einstellenden Emotionen jedenfalls Gefühle sind. Wenn der Musiker sein Instrument nicht nur in der Weise erfaßt, wie das gleichgültigste Ding von der Welt, dann erlebt er eben etwas, vermöge dessen es ihm wert ist", er erlebt Freude daran und Freude, welcher Determinationen und Komplikationen sie auch fähig sein mag, ist zuletzt eben ein Gefühl, das sich der Tatsache zuwendet nicht nur, daß das Instrument existiert, sondern speziell der Tatsache, daß es als sein Instrument existiert, daß es in seinem Eigentum oder etwa wenigstens in seinem Besitze ist. Auf den Wert seines Instrumentes mag er etwa auch noch durch den Gedanken bedachtnehmen, wie es wohl wäre, wenn er das Instrument nicht im Besitze hätte: auch auf diesen Gedanken reagiert er dann mit " 1 Eine Ausnahme macht vielleicht W. Strich (,,Das Wertproblem in der Philosophie der Gegenwart", Leipziger Dissertation, Berlin 1909, S. 27), der in seinem, wie ich heute glaube (vgl. unten IV), ganz berechtigten Bemühen, dem Werte eine unsubjektive Seite abzugewinnen, den emotionalen Anteil am Gedanken der,,Bedeutung zu niedrig angeschlagen haben dürfte. Über Th. Haerings Bedenken (,,Untersuchungen zur Psychologie der Wertung", Arch. f. d. ges. Psychologie, Bd. XXVII, 1912, S. 70), vgl. unten II, § 4. 2 In so weitem Sinne, wie das Wort etwa in meiner Abhandlung „Über emotionale Präsentation" gebraucht ist, vgl. Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, philos.-hist. Kl., Bd. CLXXXIII, 1917. 3*