32 I. Voruntersuchungen. leicht hochbedeutsame Relation glauben, durch die Wert und Opfer an einander geknüpft sein könnten; daß der Wert jedoch durch die Opfer direkt ausgemacht werde, das würden wir uns deshalb schon nicht leicht zu eigen machen können, weil eines jeden Erfahrung deutlichst bezeugt, daß wir, wo wir uns des Wortes,,Wert" bedienen, an Arbeit oder sonstige Opfer tatsächlich nicht zu denken pflegen. Ein schlechthin stringentes Gegenargument ist hierin freilich nicht gelegen: kein Naiver denkt beim Worte „Kreis" an die Gleichheit des Abstandes vom Mittel- punkte, er denkt an die eigentümliche Kreisgestalt. Dennoch hat die Geometrie die Gestaltvorstellungen zugunsten künstlicher, dafür aber präziser¹ Definitionen aufgegeben und so anerkannt, daß man das, was man bei den betreffenden Worten tatsächlich denkt, vor dem Forum der Geometrie aus leicht anzugebenden Gründen nicht denken soll. Aber in der Notwendigkeit, das tatsächliche Denken so dem Denkensollen² gewisser- maßen zu opfern, liegt ein hoch genug anzuschlagender Mangel, um uns zu veranlassen, wo möglich von der Definition eines Gegenstandes fern zu halten, was eventuell besser der Theorie des betreffenden Gegenstandes vorbehalten bleibt. So hat man im speziellen Falle des Wertes kein Recht, den natürlichen Wertgedanken, wenn es sich vermeiden läßt, durch ge- dankenfremde Momente zu verdrängen, möchten diese übrigens auch noch so festhaltenswürdige Eigenschaften des Wertes ausmachen. Insbesondere brauchten die alten Versuche, etwa Selbst- und Arterhaltung, oder neue Versuche, namentlich Gesichtspunkte der Energetik für die Werttheorie nutzbar zu machen, der Werttheorie keineswegs verlorenzugehen, wenn man vorzieht, bei definitorischer Bestimmung des Wertes dem der Theorie vorgegebenen Wertgedanken näher zu bleiben. Blicken wir unter diesem Gesichtspunkte noch einmal auf die drei oben näher untersuchten Konzeptionen zurück, so ist durch das eben Dargelegte bereits gesagt, daß diejenige darunter, die günstigen Falles die greifbarste Belehrung über das Wesen des Wertes versprochen hätte, die Opfertheorie, doch zugleich die am wenigsten natürliche Bestim- mung zur Diskussion gestellt hat. Dagegen sind die beiden anderen, viel farbloseren Theorien, die, wenn man sie einigermaßen ungenau nimmt, nicht viel mehr besagen, als daß Wert eben Wert ist, doch auf alle Fälle die weitaus natürlicheren. Sie machen, nebeneinander gestellt, darauf aufmerksam, daß es sich beim Werte um einen Tatbestand handelt, der sich sozusagen von zwei Standpunkten aus betrachten läßt, in denen zugleich die zwei charakteristischen Seiten dieses Tatbestandes zum Vorschein kommen. Es gibt nichts und kann nichts geben, das in einigermaßen verständlichem Sinne nützlich heißen könnte, ohne daß dabei auf irgend jemand Bedacht genommen würde, dem es nützlich ist. Und niemand hat ein Bedürfnis oder kann eines haben, das nicht, "9 1 Über Präzisionsgegenstände vgl. Über die Stellung der Gegenstands- theorie im System der Wissenschaften", Leipzig 1907, S. 84, 88, auch „Zeit- schrift für Philosophie und philosophische Kritik", Bd. 129, S. 48 ff., 155 ff. und Bd. 130, S. 1 ff. 2 Vgl. oben S. 3 auch „Über Annahmen“ 2, S. 325 f.