§ 3. Wert und Nützlichkeit. 23 Nun haben aber die Beispiele vom Andenken und vom Freunde im gegenwärtigen Zusammenhange noch ein besonderes Interesse, indem ihnen gegenüber die Frage entsteht, was da wohl beim Andenken oder bei der Freundschaft dieselbe Rolle spielt, wie bei jenen beiden ersten Beispielen das Angenehme und das Schöne. Wäre etwa der Zweck nicht angenehm, dann wäre, das ist ja selbstverständlich, das Mittel insofern auch nicht nützlich. Das Angenehme ist also unter der gegebenen Umständen für die Nützlichkeit konstitutiv und man darf fragen, was etwa beim Andenken oder bei der Freundschaft an die Stelle dieser konstitutiven Annehmlichkeit tritt. Soviel ich sehe, gibt es hier keinen anderen Bescheid als den, daß etwa die Aufbewahrungsgelegenheit im Falle des Andenkens nur deshalb für nützlich gelten darf, weil das Andenken eben von Wert ist, und bei der Freundschaft wird es schwerlich anders bewandt sein. Damit ist aber gesagt, daß wir es hier mit Nützlichkeiten zu tun haben, die ganz direkt den Wert bereits zur Voraussetzung haben, so daß, hier den Wert in der Nützlichkeit bestehend zu finden, augenscheinlich einen vitiösen Zirkel in sich schließt. Subsumiert man, was kaum gewagt und später¹ noch ausdrücklich zu rechtfertigen sein wird, auch Angenehmes, Schönes, Wahres unter dem Gesichtspunkt des Wertvollen, dann darf der Vorwurf des Zirkels auf jeden Versuch ausgedehnt werden, den Wert durch den Hinweis auf Nützlichkeit zu bestimmen. Daß man, wie mir entgegengehalten worden ist, die Nützlichkeit mit Hilfe des Zweckgedankens charak- terisieren kann, wird daran kaum etwas ändern. Das liegt an der noch zu berührenden³ Natur des Zweckgedankens, die ihn an den Wertgedanken bindet. Hier scheint nur der Umstand irreführen zu können, daß man etwas auch als Mittel zu einem sozusagen bloß hypothetischen Zwecke betrachten, insofern also die Frage, ob dieser Zweck auch Wert habe, in suspenso lassen kann. Aber dann hat man es eben auch nur mit einem sozusagen hypothetischen Nutzen zu tun, dessen Abhängigkeit vom Wert sich eben in diesem hypothetischen Charakter verrät. 2 Zusammenfassend läßt sich also sagen: Nützlichkeit konstituiert und definiert den Wert nicht, einmal weil es Wertvolles gibt, das nicht nützlich ist, dann aber auch, weil es Nützliches gibt, das bereits den Wert zur unerläßlichen Voraussetzung hat, falls nicht alle Nützlichkeit an Wert gebunden ist. Immerhin wird man aber auf das Formale einer solchen Widerlegung nicht allzuviel Gewicht zu legen brauchen, sofern dabei am Ende doch die Definition der Nützlichkeit einen wesentlichen Anteil hat, diese Definition aber von arbiträrem Dafürhalten so schwer frei sein mag als sonst eine Definition. Ganz unabhängig dagegen von allfälligen Feinheiten in dieser Hinsicht bleibt die Tatsache, daß die Betrachtungsweise, aus der heraus etwas als nützlich qualifiziert wird, von der, aus der heraus man etwas wertvoll nennt, nicht wohl erheb- 1 Vgl. unten IV, § 7. 2 Vgl. W. Strich,,,Das Wertproblem in der Philosophie der Gegenwart", Berlin 1909, S. 2 ff. 3 Vgl. unten IV.