22 I. Voruntersuchungen. Sprachgefühl über eine gewisse Gegensätzlichkeit zwischen „nützlich“ und „angenehm keinen Zweifel aufkommen. Dabei fällt noch nicht einmal alles zwanglos unter den Gesichtspunkt des Angenehmen, was diesem sonst darin verwandt ist, daß es sich in ähnlicher Weise wie dieses nicht in das Nützliche einbeziehen läßt und gleichwohl Wert haben kann, und noch dazu besonders hohen. Ein Kunstwerk, etwa ein Gemälde oder eine Skulptur, kann ja von hervorragendem Werte sein; aber zu den nützlichen Dingen wird es höchstens derjenige zählen können, der durch Verkauf desselben zu Geld zu kommen hofft. Wem solche Gedanken fern liegen, der könnte das Kunstwerk immer noch eher angenehm als nützlich nennen, wenn das Wort „angenehm nur sozusagen gut genug dazu wäre. Es war im obigen wiederholt vom Werte der Freundschaft die Rede; wer aber könnte sagen, wozu Freundschaft oder der Freund als solcher nütze ist? Daß sich ein Freund sehr häufig als sehr förderlich, unter Umständen als unentbehrlich erweisen kann, soll darum natürlich nicht angezweifelt werden; sicher aber ist, daß derlei mehr oder weniger äußerliche Vorteile die Freundschaft nicht ausmachen und diese im Prinzip auf keinerlei Vorteile dieser Art rechnet. Noch leichter mögen solche Zufälligkeiten etwa bei einem Andenken auszuschließen sein, das in den meisten Fällen ganz nutzlos sein wird, aber trotzdem hohen Wert haben kann. Nebenbei ist vielleicht schon hier anzumerken, daß weder beim Freunde noch beim Andenken jenes Lustgefühl namhaft zu machen ist, um deswillen man auf das Angenehme wie auf das Schöne Wert zu legen scheint. Ist durch das Dargelegte der Mangel an Koinzidenz zwischen nütz- lich und wertvoll auch bereits erwiesen, so empfiehlt es sich doch auch, diesem Mangel noch etwas tiefer auf den Grund zu gehen. Er ist wohl am leichtesten zugänglich in der schon dem täglichen Leben geläufigen Gegensätzlichkeit von nützlich und angenehm. Die Rose oder vielleicht noch deutlicher den Rosenduft nennt man angenehm; die Werkzeuge, deren der Gärtner bedarf, um Rosen zu pflanzen und zu ziehen, nennt man nützlich. Nützlich ist eben ganz allgemein, was sich als Ursache oder Bedingung eines Angenehmen erweist, etwas, das ein Mittel zum Angenehmen darstellt. Nun greift aber das Nützliche auch über das Gebiet des Angenehmen hinaus, indem es, um bei unseren obigen Bei- spielen zu bleiben, sich auch dem Schönen und nicht minder dem An- denken, ja selbst der Freundschaft gegenüber einstellen kann. Nützlich sind ja dem Künstler die Geräte, die sein Handwerkszeug ausmachen, dem Zuschauer etwa auch sein Opernglas. Nützlich ist, was dazu ver- hilft, ein Andenken vor schädlichen Einwirkungen oder etwa vor fremder Habsucht zu schützen. Nützlich ist mir am Ende auch, was einen bösen Schein von mir fernhält oder zu zerstören gestattet, der sonst meinen Freund mir entfremdet hätte. Ausschlaggebend ist hier augenscheinlich überall das Moment der Mittelbarkeit, das dem Nützlichen als solchem niemals fehlt, indes der Wert daran, wie sich gezeigt hat, keineswegs gebunden ist.