§ 2. Wert und Bedürfnis. 17 weisen können, je größer die Zahl der Tatsachen wird, durch deren Aufdeckung die botanische Forschung der letzten Jahre trotz weitest- gehender Zurückhaltung den Ahnungen Fechners unerwartet exakte Stützen beigebracht hat. Außerdem stehen aber auch demjenigen, der dem Pflanzenleben eine psychische Seite zuzutrauen Bedenken tragen mag, immer noch zwei Wege offen, den oben bestimmten Bedürfnis- gedanken ins Pflanzenreich zu übertragen. Man kann, immerhin zunächst auf Grund physischer Analogien, den Pflanzen eine menschen- oder tierähnliche Innenseite andichten und, diese Fiktion weiterführend, dann auch von Bedürfnissen der Pflanze reden. Man kann aber auch ungenau das als Bedürfnis an der Pflanze bezeichnen, was genau genommen unser eigenes Bedürfnis an der Pflanze heißen müßte: insofern redet man ja wirklich auch leichter von dem, was die Zier- oder Nutzpflanze ,braucht", als von Bedürfnissen beim Unkraut. Überdies lassen sich aber diese beiden Gesichtspunkte, insbesondere aber der letztere, nun auch auf das Leblose anwenden. Es war ja oben bereits darauf hinzu- weisen, wie die natürliche Wortanwendung hier nicht leicht die Sphäre. dessen überschreitet, was mit menschlichen Bedürfnissen in ausreichend enger Beziehung steht. Man wird also schwerlich fehlgehen, wenn man im Bedürfnisse jedenfalls ein in der obigen Weise näher zu bestim- mendes, innerlich Erlebbares sieht, das bloß unter Umständen, wie das ja auch sonst oft genug begegnet, durch Übertragung eine Art schein- barer Gebietserweiterung in die Sphäre des Leblosen hinein erfahren hat. Es gilt nun nur noch festzustellen, ob der in dieser Weise geklärte Bedürfnisgedanke gestattet, den Wert auf ihn zurückzuführen. Auf die genauere Ausgestaltung einer solchen Zurückführung braucht nicht näher eingegangen zu werden. Insbesondere ist es entbehrlich, dabei zu ver- weilen, ob man die Zurückführung einfach durch die Bestimmung voll- zieht, Wert habe etwas, sofern es der Befriedigung eines Bedürfnisses dient, oder ob man zwischen Bedürfnis und Wert etwa noch den Begriff des Gutes einschiebt, das heißt das, was das Bedürfnis befriedigen kann, als Gut definiert, dem dann erst wieder unter gewissen Einschränkungen Wert zuerkannt wird.¹ Man kann sich nämlich, soviel ich sehe, leicht davon überzeugen, daß das Gebiet der Bedürfnisse schon ganz ohne alle Einschränkung dem Gebiete des Wertes gegenüber viel zu eng ist. Dies erkennt man, wenn man sich die Frage vorlegt, ob alles, worauf wir eventuell Wert legen, uns auch abgeht, wenn wir es nicht besitzen, respektive wenn es überhaupt nicht existiert. Wir werden auf diese Frage in werttheoretisch genauerer Formulierung noch zurückkommen;2 für jetzt genüge der Hinweis auf die vielen Luxusgüter, von denen der letzte große Krieg so vielfach hat erfahren lassen, wie leicht man mit etwas gutem Willen ihrer entraten kann, ohne daß sie darum als wertlos zu bezeichnen wären. Daß Gewöhnung so leicht den meist in hohem Grade disteleologischen Effekt hat, aus Gütern dieser Art Bedürfnis- 1 Vgl. C. Menger, „Grundsätze der Volkswirtschaftslehre", S. 2. 2 Vgl. unten III, § 2. Meinong, Zur Grundlegung der allg. Werttheorie. 2