63 Dem Akte des Annehmens oder Voraussetzens eines Falles des un- bestimmten (also nicht widersprechenden) Objektives a kann eine gewisse Evidenz (Annahme-Evidenz, vgl. S. 48, auch die Anm.) zukommen, gemäß der Vernünftigkeit" einer solchen Annahme. Wie nun dem evidenten Urteil die Tatsächlichkeit, so entspricht dem evidenten Annehmen der Bestand des erfaßten Objektivs (vgl. auch § 24, Grundsatz A). Fände ich ein Dreieck in der Wirklichkeit vor, so entspräche dem evidenten Urteilsakte, der in jenem Vorfinden liegt, die Tatsächlichkeit der Er- füllung aller allgemeinen Dreieckseigenschaften (neben anderen, be- sonderen) im vorliegenden konkreten Falle; indem ich aber das Erfüllt- sein der Dreiecksbestimmungen nur berechtigterweise, das heißt ohne inneren Widerspruch, annehme, werde ich damit nur dem Bestehen (nicht dem echten Tatsächlichsein) solcher Erfüllung gerecht und erfasse einen bloß bestehenden (allgemeinen") Fall von Dreiecksein, zugleich auch irgendein bestehendes, nicht ein an individuell gegebenen Örtern des Raumes vertatsächlichtes, konkretes Dreieck („dieses Dreieck“). ¹) Soviel vollständige Objektivkomplexe mit einem (unbestimmten) Objektiv a verträglich sind (also a einschließen), soviel Fälle von a be- stehen (gleichviel ob sie auch alle tatsächlich sind oder nicht): ihre Gesamtheit ist der Fallbereich des Objektivs a. Mit ihm ist auch der Bereich der a erfüllenden Dinge oder der Umfang des Begriffes, der den Inhalt a hat, angegeben. Im Gedanken geschlossene ebene Kurve, deren Punkte von einem Punkte gleichen Abstand haben" ist etwas gemeint, das die angenom- menen Objektive erfüllt, irgendein Individuum oder Ding aus der Klasse der Kreise (das freilich nicht in seiner Individualität erfaßt ist, was ja nur durch unmittelbar evidentes urteilsmäßiges Ergreifen geschehen kann). Was aber im Begriffe unmittelbar gedacht ist, das ist der Gegenstand geschlossene ebene Kurve, u. s. w. Dieses begriffliche Abstraktum ist im Begriffe bloß gedacht, nicht auch gemeint. Von ihm ist die Erfüllung der konstitutiven Objektive nicht vorausgesetzt; die im Begriffe voll- das zogenen Annahmen beziehen sich ja nicht auf dieses Abstraktum wir kurz das Abstraktum „Kreis" nennen wollen, sondern auf gewisse (bestehende) Dinge, von denen jedes ein Kreis, nicht der Kreis" (in abstracto) ist. Gegenständlich gesprochen: „der Kreis" "(in abstracto) erfüllt die im Kreisbegriffe angenommenen Objektive nicht, auch nicht bloß im Charakter des Bestandes (bloß voraussetzungsgemäß“ oder angenommenermaßen"), er ist nicht ein Kreis; er fällt deshalb auch nicht unter den Umfang des Kreisbegriffes, gehört der Klasse der Kreise nicht an, sondern bestimmt sie nur irgendwie und vertritt sie unserem Erfassen gegenüber: als der Begriffsgegenstand, nicht als Ziel- gegenstand des Begriffes. 17 "7 - --- 1) Begrifflich erfassen wir jedes Ding einer Art als irgendein Ding der Art (vgl. 73, J₁), aber keines in seiner Individualität (73, J.), die nur ihm allein zukommt und der nur evidentes urteilsmäßiges Erfassen (das bei eigentlichen Dingen, im ab- soluten Sinne, ein Wahrnehmen ist) gerecht werden kann. In begrifflichem Erfassen handeln wir von Individuen und vermögen sie auch in einer gewissen Weise durch unsere Urteile zu treffen, ohne sie in ihren Individualitäten völlig zu erfassen, sie als Individuen zu kennen. So können wir auch von Tatsachen im allgemeinen handeln und Richtiges über sie aussagen, aber nur im evidenten urteilsmäßigen Er- fassen werden wir der einzelnen Tatsache gerecht, indem wir sie erkennen.